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Hochzeitsgebräuche in Schleife
Am Abend vor der Hochzeit werden Scherben (Flaschen voll Wasser, zugepfropft) gegen die Thüren geworfen.
Das Schlachten vor der Hochzeit soll der družba besorgen und dabei zugegen sein.
Wenn so im Hause der Braut ein Rind oder Stück Jungvieh (Färse, Kalb) geschlachtet wird, so dürfen Braut und Bräutigam nicht zusehen, auch kein Fleisch vor dem Hochzeitstage davon essen, sonst kriegen die Kühe keine Kälber, die jungen Eheleute haben keinen »Nutzen« vom Vieh, aber Unglück mit demselben.
Acht Tage vor der Hochzeit müssen Braut und Bräutigam zum Abendmahl und nach dem Abendmahle zum Prediger gehen, der sie in Glaubensfragen prüft.
Die Männer haben bei der Hochzeit alle Stöcke mit Bändern; (das soll anzeigen, dass sie früher Säbel hatten, weil sie vormals die Braut mit Gewalt holen mussten. Buch?).
Wenn der Bräutigam ehrbar, cysty ist, hat er einen kleinen Rautenkranz auf dem Hinterkopfe; davon hängen grüne und weisse Seidenfäden herunter. Der Rautenkranz wird auf dem Haare festgenäht, damit er nicht wegfällt. Fällt er aber bei der Trauung oder sonst ab, so ist der Bräutigam nicht ehrbar.
Rosmarin-Sträusschen trägt der družba und die zagólzy und der Bräutigam vorn am Rocke, dieser in grünen, jene in rothen Bändern eingebunden.
Fällt dem kózłaŕ, Dudelsackpfeifer, der hintere Theil des kózoł (Dudelsack),333 nämlich der rog weg, so heisst es: einer von den Brautleuten ist nicht ehrbar (ńecysty).
Als Kopfschmuck werden der Braut von einer anderen Frau grüne seidene Bänder um den Kopf gelegt, und sie so geputzt. Darum heisst sie in der Brauthaube třigładźona.
Wenn der Kopfputz fertig ist, soll334 die Braut in ein Backfass (dźěža) treten. Dann wird ihr [früher in Schleife jetzt noch z.B. in Mühlrose] ein Stück Leinwand335 auf den blossen Leib gebunden. Dann wird sie im Backfasse stehend angezogen, und ist sie fertig angezogen, so muss sie mit einem Satze aus dem Backfasse herausspringen. Dann braucht sie bei der Entbindung keine Hebeamme, baba. Kommt sie aber nicht mit einem Sprunge aus dem Backfasse heraus, so bringt es Unglück.
Um die Braut zur Trauung nach der Kirche abzuholen, kommt der Bräutigam mit den Spielleuten (einem Dudelsackspieler und einem Fidler) und mit seinen Anverwandten. Vorm Hause wird Halt gemacht, mit Stöcken gegen die Thüre geschlagen, der družba will die Braut holen und bittet um Einlass. Hineingelassen von den Anverwandten der Braut, giebt man ihm als Braut ein altes puckliges Weib, mit einem Topfe, verdeckt auf den Rücken gebunden. Entrüstet wird ihr draussen der Puckel entzwei geschlagen und die richtige Braut verlangt. Zum zweiten giebt man dem družba im Hause die družka. Als falsch wird auch sie zurückgegeben und draussen vor der Thüre weiter verhandelt, denn den Bräutigam lässt man noch immer nicht hinein.336 Dann bekommt der družba die richtige Braut, und nachdem diese als richtig anerkannt, drehen sich Braut und Bräutigam dreimal um. Dann nehmen alle im Hochzeitshause ein Frühstück ein.
Vor der Trauung sollen sich Braut und Bräutigam auf der Hand Zwirn wickeln und bei wem sich der Zwirn (cwern) verwickelt, der wird böser Mann oder böse Frau.
In das rubišćo wickelt die Mutter der Braut einige trockene Brotschnitten ein und dieses Brot »geht« mit zur Trauung.[120]
Vor dem Kirchgange sollen Braut und Bräutigam Geld in Schuh und Stiefel stecken, damit sie immer Geld haben. Der Braut steckt die Mutter heimlich einen Thaler in den Strumpf, der Bräutigam sich selbst.
Die Mutter schüttet der Braut auch Salz in den Schuh. Nach der Hochzeit dagegen bekommt der Mann Salz auf Brot gestreut, damit er ihr unterthänig ist.
Beim Kirchgange, hin und zurück, wird die Braut vom družba geführt. Sieht sie sich während dessen um, so sieht sie sich nach einem anderen um.
Fährt die Braut zur Trauung, so streut sie für das zuschauende Volk »Bonbons«, Zuckerwerk oder Pflaumen vom Wagen herunter.
Nach der Trauung geht die Braut um den Altar herum, und lässt einige Aepfel hinter dem Altare fallen, sonst bekommt sie keine Kinder.
Bei der Rückkehr von der Trauung nach dem Hochzeitshause, schickt die Hochzeitsmutter, ehe die Trauleute den Hof betreten, Milch und Bier heraus, in einem Topfe, der eigens dazu gekauft wird und aus dem noch niemand vorher getrunken hat. Dann trinken Braut und Bräutigam und družka und swažka daraus; darnach wirft der družba den Topf entzwei.
Nun erst werden die Hochzeitsleute auf den Hof gelassen, die Spielleute spielen auf und Braut und Bräutigam tanzen miteinander »polnisch« (polski rejować).
Hier, oder wo sie sonst am Hochzeitstage herankommen können, stecken böswillige Weiber, chódoty, dem Bräutigam oder der Braut Stecknadeln, Nähnadeln, Kraut und verschiedenes in die Kleider, dass keine gute Ehe sein soll.
Wenn auf dem Hofe die Abbitte gethan (wotpřosować) ist, gehen die Hochzeitsleute allesammt in die Kuhställe, der družba mit dem zagolca, dem Bräutigam und den anderen Männern in den einen, die Braut mit ihren Gefährtinnen in den anderen. Und das geschieht, um »Wasser abzuschlagen,« denn Braut und Bräutigam dürfen vom Essen nicht eher aufstehen, als bis sie abends zu Tanze gehen. Dann betreten alle das Haus.
Im Stalle bekommt die Braut, aber nur sie allein, eine Tasse warme Milch von der Kuh. Hier, im Stalle, wo sie die Milch trinkt, vertheilt sie das (Trau-) Brot und giebt jedem Stück Vieh ein Stück Brot.
Dann beginnt der Hochzeitsschmaus, während dem auch getanzt wird. Zum Schmause giebt es etwa:
1) Butter, Brot, Käse, Kuchen (tykańc).
2) piwowa zupa, Biersuppe.
3) krupy z jušku, Grütze mit Rindfleisch und Brühe.
4) zwěrina, schwarze Tunke aus Backpflaumen und Birnen, etwas Blut und Bier.
5) běła tunka, weisse Tunke aus Bier, Milch, Mehl und Eiern.
6) kisała tunka, saure Tunke aus Mehl, Essig und Eiern.
7) kałduny, Kaldaune (Fleisch, Mehl, Milch).
8) kisany kał a krupowa wóršta, Sauerkohl und Grützwurst.
Während des ganzen Essens giebt es Bier (piwo) und paleńc (Schnaps) in Fülle.
Das gesammte Essen (d.h. nur die Fleischspeisen) wird getheilt, sind z.B. zehn Gäste, in zehn Theile. Dies Theilen beginnt von der zwěrina an. Was die Gäste nicht selbst essen, nehmen sie nachher ihren Anverwandten (swójdźba) in Töpfen mit oder schicken es während des Schmauses heraus. Auch alle, die zusehen, bekommen durch die Thüre oder Fenstern Brotschnitte, Branntwein und Bier.
Wenn das Gericht krupy z jušku gegessen wird, kommen alle freiledigen[121] Mädchen aus dem Dorfe vor die Fenster des Hochzeitshauses und beginnen geistliche Lieder zu singen. Dafür bekommt jede Sängerin eine Brotschnitte. Doch unterbleibt der Gesang, wenn der Hochzeitswirth ihn nicht wünscht.
Auf dem Tische vor Braut und Bräutigam wird auf einem Teller ein Schäfchen, wowcka, aus Butter gefertigt hingestellt. Auf dem Kopfe trägt es statt der Ohren zwei künstliche [Nadel-] Zweige, einen im Maule, welche am Ende glänzende Kugeln tragen, am Leibe aber ist es mit Stückchen rother und grüner Wolle in verschiedener Zeichnung und mit Rautenblättern belegt. Dies Butterschäfchen wird von Braut und Bräutigam mitgenommen, aufgehoben, so lange es sich hält und schliesslich der Rautenbelag (die Blattstückchen) dem Vieh gegeben.
Die übrige Butter, welche beim Schmause verzehrt wird, steht kegelförmig, geputzt und belegt mit grünen Rauten- Blättern und bunten »Brustkücheln«, brustkychelki337, auf Tellern. Diese Teller (słojk) hatten früher vier Füsse und dienten eigens zu diesem Zwecke.
Wenn die Hochzeitsleute einen Betrunkenen oder einen ungeladenen Gast nicht los werden können, so geben sie ihm einen Teller Quarktunke (twarogowa tunka) und ein altes Stück Pelz (hóžuch) hineingelegt.
Wenn am ersten Hochzeitstage, abends338 nach der Hochzeit das junge Paar in seine Wohnung gebracht wird, wirft die junge Frau bei der Ankunft auf dem neuen Hofe eine Henne, kokoš vom Wagen herunter, wenn sie »zu Wagen« ist, wenn zu Fusse, eine solche auf das Dach. Fliegt die Henne fort, so bleibt auch die junge Frau nicht dort, u.s.w. Dazu wird zu Hause eine solche ausgesucht, die recht »fromm« ist, viele Eier legt, nicht kräht, nicht wegläuft u.s.w.
Nach dem Essen singen die Gäste einige geistliche Lieder und dann geht man in den Gasthof (Schänke) »zu Tanze«. Den ersten Tanz mit der Braut macht der družba, dann tanzt der třidružba, drittens der zagólca mit ihr, alsdann jeder Gast mit ihr drei Stückchen »polsch« (polnisch, polska reja). Selbst jeder alte Mann hat das Recht, mit ihr zu tanzen. So lange darf der Bräutigam nicht tanzen, er sitzt auf einer Bank und sieht zu, wie sie mit den anderen tanzt. Früher mussten auch die beiden Brautjungfern (die družka und die swažka) die ganze Nacht tanzen.
Am Abend des zweiten Hochzeitstages war es früher Sitte, dass, wenn die »jungen Leute« nach dem Essen auf dem Boden schlafen gegangen waren, ihnen die Kleider kreuzweis über den Haufen gemengt (gelegt) wurden. Erst ein Kleidungsstück von ihm, dann eins von ihr, dann wieder etwas von ihm u.s.w. S.
Acht Tage nach der Hochzeit ist die młoda swaźba (junge Hochzeit). Die beiden družka (die junge Frau ist in halba und lapka) haben die Haube aus rothen statt aus grünen Bändern geflochten und statt des Rautenkranzes einen Kranz von künstlichen Blumen und Perlen.
Der družba und die zagolcy haben nicht wie bei der Hochzeit Rosmarinsträusschen, sondern künstliche Blumensträusse angesteckt und an den Hüten rothe seidene Bänder statt der rothen und grünen wollenen.[122]
Vier Wochen lang nach der Hochzeit mussten früher die »jung« Verheiratheten auf dem Boden beim Schornstein (auf Stroh und Bettdecken) schlafen; manche thun es noch jetzt. S.
Wenn nach der Hochzeit die junge Frau zum ersten mal in ihrer Wirthschaft buttern will, dann giesst sie die Sahne in das Butterfass, butranica, wickelt339 dies in das Grastuch, cypeltuch340 oder płachta, und trägt es zur eignen Mutter in das Haus. Denn da soll das erste mal gebuttert werden. Dann trägt sie alles wieder nach Hause, so hat die Hexe keine Gewalt über sie. Die erste Butter wird auch nicht verkauft. Mühlrose.
Wenn beim Hochzeitsschmause einer dem andern zutrinkt, so sagt er: »Bóžeme, na lubosne póznaće a lubosne wósmjaće, tebe k mysli było a mojej cesći neškodžeło. In Gottesnamen auf freundliche Bekanntschaft und freundliches Lachen, möchte es Dir gefällig sein und meiner Ehre nicht schaden«. Dann sagt der andere wohl: »Głašk paleńca jo mě luby dosć a ty była mě hyšći lubša. Ein Glas Branntwein ist mir lieb genug und Du wärest mir noch lieber«. Trinkt man der Braut zu, so sagt man dasselbe und irgend ein anderer sagt scherzhaft:
»Swažka pijo z głaška,
Družka pijo z kuška,
Ńewjesta z kołomaznice.
Die Sswaschka trinkt aus dem Glase,
Die Druschka trinkt aus dem Klotze,
Die Braut aus der Theerbutte«341.
Will man das Zutrinken recht freundlich machen, so füllt man das Gläschen halb voll Brustküchelchen. S.
Der družba sagt, wenn er zur Hochzeit einladet: »My přidźomy k wam, kaž dwaj wotposłanej: k pŕeńemu wot lubeg' Bóga, potom wot togo cesnogo nawoženje a ńewjesty, tež wot jogo lubego nana a maćeŕe, tež wot jeje lubego nana a maćeŕe. Te same dadźa waś wutrobnje na swalbu prosyć. Wy ćěli se na přichodne wołtery do jogo (abo do jeje domu) hoko wósymych nutř namakac. Tam ćěli tež šytcko zalube zyć, což nam ten luby Bóg hobradźić budźo. Nezmejomyli tam wěle, da doch kromicku a slonicku, tež ćěłi šycko za lube brać a himaj gluku a žognowanje winšować, zo by se jeju mandźelski štand derje radźil. Potom ćěli někotere reze cynić do našogo bužego domu. Tam ćěli někotere wotcenaše hubatować, nejperej za teju noweju manželskeju a himaj gluku a žognowanje winšować. Potom ćěli se do jeju domu k jenemu małemu hobjedu roćić. A tam ćěli ẃesołe gósće być. Ẃesołše wy budźoco a łubše nam budźoco. Na to ćěli wy nama kaž dwěma wotposłanyma jeden krotki a troštny antwort [wotmołwenje] dać. Žo by se nama derje lubiło a mej tym, kiž naju wotposłali su, jeden krotki a troštny antwort přinjesć mogłej.« S.
Wenn die Brautleute – bei der Fahrt nach der Kirche anhalten, dann ist es ein schlechtes Zeichen, dann stirbt einer von ihnen bald; sie sollen in einem »Zuge« fahren. B.[123]
– vor dem Altare das »Ja« [-Wort] recht laut sagen, so haben sie Glück mit Federvieh.
– vor dem Altare stehen, so soll die Braut in ihren Schuh einen »Knippel« [Stücken Holz] und Dill [die Körner von Anethum graveolens] thun und sagen:
»Ick [ich] steh uf [auf] Knippel und Dill,
Min [mein] Mann muss dun [thun]
Wie ick will.«
– aus der Kirche kommen, giebt [oder gab] es (vom »Hochzeitshause«) Bier, Butter und ein ganzes Brot. Dieses Brot wird vertheilt an die Leute, welche sich »darum reissen«. Wenn man von selbigem Brot etwas bei sich hat, so bringt es Glück. Geht man auf den Markt, um zu verkaufen, so soll man es bei sich haben. Dann hat man recht viel Zulauf, dann »laufen die Leute so wie nach dem Brautbrote«. Solches Brot schimmelt auch nicht. Man kann es zwanzig Jahre haben. G.-S.
Wenn ein Mann seine Frau los sein will, so soll er eine grosse Kreuzspinne fangen und sie ihr eingeben, dann stirbt sie bald; ebenso die Frau dem Mann. B.
Wenn ein Mann eine weisse Leber hat, so behält er keine Frau, es sterben ihm alle; ebenso der Frau die Männer. G.-S.
Wenn die Frau »lauter« Jungen als Kinder kriegt und gern ein Mädchen haben will, so soll sie eine »Mädel's«-[Mädchen-] Haube, hałba, [sprich halba] heimlich in ihres Mannes Rock einnnähen. S.
Wenn die Frau einen Jungen, und kein Mädchen haben will, dann soll der Mann im Bette über sie wegspringen dass die Frau seinen »Sack« (scortum) sieht [g.v.]. B.
Wenn Weiber mit dem cas in die Gemeindehaide [dort ein Kieferngehölz] gehen, so werden die Bäume trocken. Neustadt, Nowe město.
Wenn man um einen anderen ringsherum geht, so hat der kein Glück.342 B.
Einem alten Weibe begegnen bringt Unglück B.
Wenn man einem lebendigen Maulwurf (kret) die linke Pfote abbeisst und in eine Geldbörse thut, so hat man Glück, denn er kratzt immer wieder Geld hinein. G.-S.
Wenn einem die Nägel blühen [mě nokše kwětu], so bringt es Glück.343 B.
Die weissen Flecke auf den Nägeln heissen Liebesblüthen, Glückblüthen. »So viel Blüthen man hat, soviel hat man Liebsten, tak wěle ak tych kwětkow maš, tak wěle maš lubkow.« B. S.
Wenn einem der Fuss »krümmt« [juckt], tanzt man am Abend. B.
Wenn einer beneidet wird von einem anderen, so entstehen bei ihm Neidnägel (»luže mě gramuju«), až ten jomu to hobzawiźi. B.
Grosser Wind bedeutet grossen Krieg, gaž weliki wětr jo, to »bedeutuju na weliku wojnu.« S.
Wenn im Ofen am anderen Morgen noch Kohlen glimmen (hugle se žagle) kommt Kälte,344 wenn der Rauch im Ofen niederschlägt, wenn der Hund nicht säuft oder frisst, andere Witterung. B.
Wenn man Salz verschüttet, bekommt man Zank. S.[124]
Wenn man Ratten vertreiben will, soll man in der heiligen Nacht dreimal mit der Kette tüchtig klirren und um das ganze Haus laufen. S.
Wenn man aufwachen will, so soll man mit beiden Zehen345 an das Bettende anschlagen, soviel mal als die Zahl der Stunden beträgt, in der man aufstehen will, und dabei sagen:
»Lieber Gott, ich bitte Dich
Mich ruft die Stunde, wecke mich« G.-S.
Mit Strohhalmen kann, wer es versteht, Schlösser aufblasen. S.
Wenn einem etwas gestohlen worden ist, so soll man einen »abgestorbenen«346 Schlüssel (kluc) oder Schere (nožycy) in ein »abgestorbenes« Gesangbuch (spiwarske) thun, so dass oben aus dem Gesangbuch der Griff des Schlüssels heraussieht und dann das Gesangbuch mit einem »eingesegneten«347 Bändchen fest zusammen binden. Alsdann sollen zwei (von jeder Seite einer) mit je einem Finger den Griff halten und abwechselnd die Namen sagen von solchen, auf die sie Verdacht haben. Der eine sagt z.B. »N. N. hat es gestohlen«. Der andere: »Der hat es nicht gestohlen«. Der erste sagt wieder: »M. M. hat es gestohlen«, u.s.w. Wenn nun der richtige Namen des Diebes genannt wird, so dreht sich der Schlüssel herum und fällt mit dem Gesangbuche herunter348. B.
Wenn einer gestohlen hat, so soll man früh morgens, ehe ein Vogel über die Spur des Diebes wegfliegt, dieselbe zusammengreifen [z.B. Sand, Gras], in den Schornstein (dymnik) hängen, und austrocknen lassen, und so lange hängen lassen, wie sie hängt. Dann wird der Dieb krank und vertrocknet. B.
Wenn Feuer ausbricht, so soll man den Backtrog »abdecken«349 und so aufstellen (?) ebenso beim Gewitter. Brahmo.
Spruch gegen Feuer:
»Feuer, du stehst in des Helen350 Gluth,
Wie unser Herr Christus selber thut.
Im Namen u.s.w.« S.
Wenn Feuer ist, so sollen die Backfässer zusammengeschleppt und gegen das Feuer hingestellt werden. Es müssen aber solche unter ihnen sein, welche Sonntags schon gebraucht wurden. Dann geht das Feuer aus. S.
Blitzfeuer kann man nur mit Milch löschen351. S.
Das Holz von einem Baum, in den der Blitz (ńeẃedraško) eingeschlagen hat, soll man nicht »brennen« [im Ofen, auf dem Heerde]. Denn es knallt »furchtbar«, brennt man solches. S.[125]
Wenn ein Haus brennt, kann mancher es besprechen. Dazu muss er ein Pferd haben; das rennt dann fort als wenn es fliegt, und das Feuer hinterdrein.352 Heiligensee.
Spruch, wenn man auf das Gericht [die Stufen, Treppe] hinaufgeht:
»Heute geh' ich in das Gerichtshaus,
Da trug man drei Todten heraus.
Der erste hatte kein Herz,
Der zweite hatte keine Lunge,353
Der dritte hatte keine Zunge.
Behüt mich Gott!
Im Namen des Vaters u.s.w.« S.
333 Den »grossen Dudelsack«, kozoł (bei den Niederwenden měchawa), bilden folgende Stücke: ta bruma, die Brumme, ten pósleny róg, das Schallstück, ten hózoł, der [Ziegen-] Bock, bestehend aus einer ganz abgezogenen, nicht genähten Haut, ta póslenja tresć, die Hinterpfeife, ta preńa tresć, die Vorderpfeife, ta bercawa, die Pfeife, ta třeberawa, die Beipfeife, ta kozłowa głowa, der Ziegenkopf (dieser hat als Hörner swinjece zuby, Schweinezähne). – Der »kleine Dudelsack«, mały kózoł, ist ohne Fell. Auf diesem wird beim Gange zur Trauung etc., und im Hochzeitshause bei Tische gespielt (und dazu gesungen), auf dem grossen meist zum Tanze.
334 Dies war mehr früher Sitte, indessen auch jetzt noch.
335 Immer, wenn die Frauen Sonntags zur Kirche gehen, tragen sie unter dem Arme das rubišćo, ein grosses Leinentuch, als Rolle zusammengewickelt und mit Stecknadeln zusammengesteckt. In der Rolle ist noch eingewickelt ein grosses wollnes Kopftuch, lapa. Wenn es dann regnet oder schneit, wickeln sie das rubišćo auf und hüllen sich darin ein.
336 In Burg und a.O. verspricht der Bräutigam draussen eine Kaufsumme für die Braut, »den ganzen Tisch voll Geld«. Ist er in der Stube und ihm die Braut übergeben, so löst er sein Versprechen und legt fünf Geldstücke, eins in der Mitte und je eins auf die vier Ecken des Tisches, so ist der Tisch voll.
337 Kleine bunte Zuckerplätzchen.
338 Wenn die Zuschauer dichtgedrängt vor den Fenstern stehen, nähen manche Burschen drei, vier Weibern, die im Gedränge nichts davon merken, mit Bindfaden die Röcke hinten zusammen. Wollen sie dann auseinandergehen, glauben sie sich von anderen festgehalten; Streit und Gelächter folgen.
339 Das Einwickeln geschieht, weil das Butterfass schwer ist.
340 Cypeltuch (Zipfeltuch): im Spreewalde, und bis Cottbus hin, das Tuch, welches über der Brust und um den Hals der Frauen und Mädchen getragen wird.
341 Solche Theerbutten hatte man früher, als noch Holzachsen gebräuchlich waren, an den Wagen zu hängen, um damit die Räder zu schmieren. Wenn dann der Theer auf die langen weissen Leinwandröcke (während der Fahrt) kam, so sahen zuletzt die Fuhrleute »bunt wie Elstern (sroka)« aus. B. S.
342 »In Liskau setzten sich mal 24 an den Tisch zum Essen. Da ging ›der eine‹ von ihnen weg und es meinten die anderen, er hätte einen besonderen Grund.« Was in ganz Deutschland bekannt ist, dass, wenn 13 am Tische zusammen essen, einer von ihnen im Jahre stirbt, ist, soviel ich feststellte, unter den Wenden nicht bekannt.
343 Unter Deutschen: Geld, Reichthum.
344 Redensart: »Ruskje małko tope, die Russen heizen wenig,« d.h. von ihnen kommt die Kälte her.
345 Palc, Finger und Zehe.
346 D.h. von einem Todten.
347 Welches, während der Segen gesprochen wurde, in der Kirche war.
348 Neumark: bei Diebstahl soll eine kluge Frau einen »Erbschlüssel« in die Bibel thun und einen Spruch sagen. Dann muss der Dieb kommen und das Gestohlene bringen.
349 D.h. den Deckel von der źěža abnehmen.
350 Was heisst: das Helen? – »Na doch Teufelshöhle«.
351 »Bei dem Förster N. N. im Mocholzer Revier [Forstschutzbezirk] hatte der Blitz eingeschlagen. Sogleich liess er Milch aus dem Keller holen und damit löschen.« S. – Ein Räuber stahl und stellte dabei den brennenden Finger eines neugeborenen Kindes als Licht auf den Tisch. Wie er nach dem Diebstahle wieder aus dem Hause war, konnte das Dienstmädchen den b.F. nicht auslöschen. Da sagte ihr der Räuber von draussen (durch das Fenster), sie sollte das »Licht« in Milch stecken. Das that sie, dann ging es aus. Konitz (in Preussen).
352 »Wenn Feuer ist, soll einer, der es versteht, heranreiten und es besprechen, und dann so schnell als möglich in ein Wasser reiten, dann muss ihm das Feuer nachkommen.« Neumark.
353 W. [te] płuca. In der Mark: »Du hast Dir die Plauze gut ›vollgeschlagen,‹« wenn einer sich recht »vollgefressen« hat. A. Hilferding, sprachliche Denkmäler, S. 48: Lunge = Pläuzah.
Quelle: Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 119-226.