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Todtengebräuche in Burg (Spreewald)

Wenn einer sterben soll, so »thut« abends ein Stern herunterfallen und steht man anderen Morgens früh auf, so sieht man ihn wieder an den Himmel hinauffliegen315. Oder ein Vogel kommt ans Fenster geflogen und kuckt hinein. Und wenn der Vogel ans Fenster kommt und pickt an die Scheiben, dann sagen sie: »Jetzt passiert etwas, es stirbt einer«. – Oder wenn die Ofenbank platzt und knallt, stirbt jemand aus der »Freundschaft« (Verwandtschaft) in dem Augenblicke, wo sie platzt. Oder es klopft dreimal an das Fenster und »beweist« sich so. Oder es ruft Namen aus der [Verwandtschaft] »Khrystjana, pojś raz wen, Christiane, komm mal heraus«. Dann stirbt die Gerufene.

»Wenn der Mensch todt ist, werden ihm die Augen zugedrückt. Wenn aber die Leiche die Augen wieder aufmacht, holt sie einen aus der Familie nach. Dann soll man die Fenster aufmachen und die Spiegel verhängen und alsbald die Leiche auf eine ›blanke‹ Bank legen. Unter die Bank aber wird eine Schüssel mit Wasser [und jetzt Chlorkalk] gestellt, dann läuft die Leiche nicht auf (pótom njeběžy) und die Geschwulst zieht ins Wasser. Dann muss die Leiche gleich warm abgewaschen werden, weil die Knochen sich noch biegen. Mit dem Leichenwasser aber soll man sich waschen, dann wächst einem der Bart nicht; die Leiche selbst lässt man zwei bis drei Tage auf der Bank liegen. Hat jemand ›Brotzken‹ (brodajca) und denselben Namen wie der Todte, heisst z.B. die Todte Mariana und ein Mädchen, die ›Wratzken‹ hat, auch Mariana, so soll sie dem Todten ein Band um die Hand wickeln und sagen: ›Mariana‹, im Namen Gottes u.s.w.«

Damit dem Todten der Mund zugeht, soll man um das Gesicht ein weisses Leinentuch binden, auch wenn nöthig, noch Steinchen dazwischen, und auf das Gesicht kleine Lappen thun, in Branntwein getränkt, damit es nicht so hässlich blau wird, sondern weiss bleibt. – Das Mundtuch kann man gut gegen Rose und Geschwulst gebrauchen. Man braucht es bloss umbinden und versprechen, so gehen sie fort; dann kommt es in den Sarg.

Wenn der Sarg gekommen ist, werden unten Hobelspäne, Werg oder Grummet hineingethan, dann weisse Leinenkissen und darüber feine Kopfkissen. Manche legen nassen Spreesand unter den Todten, um beim Durchlaufen der Feuchtigkeit den schlechten Geruch zu beseitigen. Am Tage vor dem Begräbniss wird die Seele ausgeläutet, po duše se zwóni. Vor dem »Seelenausläuten« ist die Leiche in den Sarg zu legen, damit sie dann im Sarge liegt und »fertig« ist, denn durch das Läuten wird »die Seele in den Himmel gezogen und steigt gen Himmel«.

Manchem wird die Pfeife in den Sarg gegeben, der Kamm, die Schnupftabaksdose, alte Kleider mit hinein, einem jeden nach seinem Verlangen. Aber auch neue Sachen kommen hinein, wenn Mädchen z.B. Brusttücher und Schürzen; haben sie es im Leben getragen, mag's auch im Tode mitgehen.316 (Manche haben Feldsteine in den Sarg gepackt v.) Verheiratheten Frauen317 wird der Brautstaat angethan, die grosse weisse rogata mica, der schwarze Rock, die schwarzseidene Schürze, die weissen Tüllbrusttücher, die schwarze Brautschärpe; die schwarze Tuchjacke wird auf dem Rücken durchgeschnitten und vorn über die Arme gezogen. Männer bekommen nach Verlangen auch Kleider an, schwarze Hosen und schwarzen Rock, sonst das weisse Sterbehemd, smerknica. Jeder Todte hat das gewöhnliche Hemde an; wenn er aber nicht in Kleidern ist, wird ihm das Sterbehemd, ein langes Leinwandstück in langen Falten aufgelegt und mit Nadeln festgesteckt. Die Todten bekommen Schuhe an von schwarzer Wachsleinwand mit dünner (neuer) Ledersohle, und ebenso Männer wie Frauen weisse baumwollene Handschuhe; in die rechte Hand immer ein Taschentuch, in die linke ein Sträusschen oder Kränzchen von wirklichen oder künstlichen Blumen, selten manche »reiche« auch eine Citrone, Jungfrauen einen Myrthenkranz. Kinder werden oft reich und prächtig mit künstlichen Blumen und glitzerndem Zierrath geschmückt. Alle Stecknadeln, die übrig bleiben von denen, welche zum Anstecken der Sachen für den Todten gekauft wurden, kommen mit in den Sarg.

Die Leichenträger (nosaŕ) haben vom Hute Florbänder zu hängen, am rechten Aermel über der Hand einen künstlichen Blumenstrauss und eine Schleife von weissem Seidenband; auf den Händen weisse Handschuhe. Das alles giebt die trauernde Familie. Nur Eingeladene kommen zum Begräbnisse. Jeder tritt an den Todten, betet ein Vaterunser und geht die Leidtragenden trösten. Dann wird Butter, Brot, Käse, Bier und Branntwein genossen, alsdann ein Lied gesungen, der offene Sarg vor die Thüre getragen und der Deckel aufgelegt, und die Leiche wegtragen. Während sie vom Hofe getragen wird, soll man dem Vieh noch einmal zu fressen geben, damit es »im Stande« bleibt.

Vor dem Hause des Predigers wird die Leiche niedergesetzt, und der Deckel vom Sarge abgenommen318, die Leiche noch einmal beschaut (njabogjeg' přěglědaś) und drei Lieder gesungen. Nachdem der Prediger die Leiche eingesegnet, wird der Sarg zugemacht. Wenn der Deckel aufgelegt wird, soll man aufpassen, dass dem Todten keine Schleife auf den Mund kommt, »damit nichts Wind giebt, alles ruhig ist.« Dann wird er nach dem Kirchhofe getragen, in die Erde gesenkt; der Prediger spricht den Segen. Fällt von den Seiten des Grabes Sand ab, so folgt jemand aus der Familie dem Todten bald nach.

Kleine Kinder haben weisse und gelbe Särge, ältere Kinder und jüngere Leute braune, alte Leute schwarze (auch mit weisser Kante). Das Leichentuch, rubišćo, wird auf die Bahre gelegt. Früher trugen das rubisćo, die Köpfe damit verhüllt, auch die leidtragenden Frauen und Mädchen dieser Gegend, seit etwa zwanzig Jahren aber nicht mehr.

Nach dem Begräbnisse geht es zum Todtenschmause (zakopowańe). Früher gab es stets žołta zupa (gelbe Suppe), Biersuppe aus Bier, Mehl, Syrup u.a., jetzt hin und wieder; dagegen: Kaffee, Chokolade, Kuchen, Brot, Butter, Branntwein, Bier. Dann sagen manche der Schmausenden, wenn alles aufgezehrt wird: »Das Fell wird versoffen, njet hordujo ta kóža přepita«. Wenn sie abgehen: »Jetzt ist das Fell vertrunken, njet hóža přepita«. Vor oder nach dem Essen spricht der Prediger oder Küster ein Gebet; die Hinterbliebenen essen mit beim Todtenschmause und bezahlen alles. Zuerst geht es ernst und gemessen, später oft lustig und ausgelassen zu.

315 So beginnt das auch in deutscher Fassung unter den Wenden, wenigstens im Spreewalde, bekannte Lied von den drei Schwestern.

»Es flogen drei Sterne wohl über den Rhein,

Es hatt' eine Wittwe drei Töchterlein.

Die eine sterbte, es Abend war u.s.w.«

316 Dem einzigen Sohne des Kaupers N. N. sollen in den Sarg gelegt worden sein: 3 Stücken Leinwand (etwa 15 Ellen lang), 3 Paar Hosen, 2 Röcke, 2 Westen; um die Hüften ein breites grünseidenes Band, um den Hals ein rothseidenes Tuch gebunden u.s.w. (?).

Einmal soll einem Todten Geld in den Sarg gethan, dies aber von anderen dem Sarge entnommen worden sein. »Die Juden setzen den Todten Essen und Trinken hin, das essen dann die Todtengräber.«

317 »Eine verstorbene Wöchnerin wird angezogen als wollte sie in die Kirche gehen.« S.

318 Seit kurzem verboten.

Quelle: Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 112-114.