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Von der gesühnten und ungesühnten Schuld

In Völkershausen lebte vor Zeiten ein Amtmann, der hatte sein Dienstmädchen lieber, als es recht war. Als sie nun niedergekommen, tödtete sie ihr Kind und vergrub es unter einer Steinplatte in den sogenannten Milchkeller. Die Hebamme hatte aber Wind davon und zeigte die Sache an. Die Kindesmörderin wurde eingezogen und gestand ihr Verbrechen. Um dieselbe Zeit hatte ein Dorndorfer Junge den Hirten von Martinrode im Jähzorn todtgeschlagen, er hatte bei ihm gedient und jener ihn arg mißhandelt; auch dieser wurde eingezogen und dann wie die erste zum Tode verurtheilt und zwar so, daß beide auf dem sogenannten Richtplatze bei Völkershausen durch das Schwert gleichzeitig enthauptet werden sollten.

Der Hirtenjunge hatte seine That bereut und hoffte auf einen gnädigen Richter im Jenseits; die Köchin jedoch war fröhlich und guter Dinge, klapperte während des Galgenmahles muthwillig mit ihren gestickten Pantoffeln und foppte sogar noch den Hirtenjungen, der nichts genießen wollte. - Der Amtmann hatte ihr ja heilig und theuer versprochen, daß es mit ihr nicht zur Hinrichtung kommen sollte, er würde sie vorher retten.

Es kam aber anders. Sie wurden beide hingerichtet, und der Amtmann sah vom Dietrichsberg aus durch ein Fernrohr den Kopf seiner Buhlerin fallen.

Abends umflatterte lange eine weiße Taube die elterliche Wohnung des Hirtenjungen von Dorndorf; das Dienstmädchen aber und der Amtmann haben bis heutigen Tages keine Ruhe. In der Stube, wo jene das Kind bekommen, giebt's Ohrfeigen von unsichtbarer Hand und sonstigen Spuk; im Milchkeller hört man dann und wann das Wimmern eines kleinen Kindes und am Dietrichsberg steht Nachts eine schwarze Gestalt, zielt mit dem Fernrohr nach dem Richtplatz und seufzt gar arg.

Quellen: