<<< zurück | Sagen der mittleren Werra | weiter >>>

Vom Hexenmeister Joseph in Wiesenthal

Drunten im Dorfe, wo es nach Urnshausen zu geht, steht noch ein Häuschen, es ist das vorletzte, da wohnte vor vielen Jahren ein alter Schloffer, Namens Joseph Kaiser. Er „that nicht gerne auf seiner Profession etwas“, hatte aber doch immer mehr Geld als er brauchte. Von dem sagten die Leute, obschon er sich vor der Welt noch hart katholisch stellte, daß er einen Pakt mit dem Unreinen abgeschlossen und dabei von diesem in allerlei geheimer Kunst unterwiesen worden sei. So konnte er die bösen Geister zu sich citiren, die, wenn er in seiner Stube hinter einem alten Buche am Tisch saß, in Gestalt von Raben durch das offene Fenster ein- und ausflogen und ihm alles erzählten, was er nur wissen wollte. Ebenso machte er Schlösser, die selbst kein Hexenmeister wieder öffnete, wie das für den Räuber Paulus, und dergleichen Dinge mehr.

Unter andern hatten sich auch einmal der Bischof von Fulda mit noch vielen geistlichen Herren in Dermbach zu einem guten Hirschbraten angemeldet. In Folge dessen wurden sämmtliche Jäger der dortigen Gegend aufgeboten. Allein in allen Bergen war nicht ein einziges Wild zu sehen, obgleich es sonst nicht daran fehlte. Da kam endlich ein alter Kreiser auf den Gedanken, den Joseph von Wiesenthal herbeizuholen, damit er Rath schaffe.

Der Joseph versprach das Wild, doch unter der einzigen Bedingung, daß die Jäger gelobten, nicht auf den ersten Hirsch schießen zu wollen, was diese auch feierlich zusagten. Und siehe, bald darauf, kam ein ganzes Rudel angetrabt, geführt von einem so starken Hirsche, daß die Jäger, als sie die feurigen Augen desselben erblickten, vor Schrecken Reißaus nahmen, denn selbst der älteste von ihnen konnte sich nicht erinnern, je ein so riesengroßes Stück gesehen zu haben. Als sie sich endlich von dem ersten Schrecken erholt hatten, schossen sie gleichwohl noch so viel, daß die Herren von Fulda trotz des besten Appetits nicht im Stande waren, Alles aufzuzehren. Der große Hirsch aber soll kein anderer gewesen sein, als der böse Feind selber, der also diesmal gezwungen war, dem fronmen Bischof von Fulda den Braten zu liefern.

Quellen: