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Von der weißen Frau bei Kaltenlengsfeld und dem Volke oder Fockenberge
Von Kaltenlengsfeld südwärts erstreckt sich ein enges, tiefes Thal, der Grund genannt. Links am Eingang liegt der Ochsberg und am linken Bergabhang, nahe dem Ende des Thales, die Kittelwiese. Dieser gegenüber nach Kaltennordheim hin wölbt sich der Volke- oder Fockenberg, auf dem eine Burg der Herren von Lengisfeld gestanden haben soll. Das Volk läßt sie durch einen unterirdischen Gang mit dem Schloß Meerlins in Kaltennordheim verbunden sein. Vom Fockenberg nach Kaltenlengsfeld führt ein Weg, der noch heut zutage der Burgweg heißt. An diesem liegt im Grunde die untere Mühle.
Dort auf der Kittelwiese, wo seit langer Zeit ein reicher Schatz verborgen war, hat sich die weiße Frau oft sehen lassen. Einst weideten Leute ihr Vich daselbst und riefen: „Wiß Fraiche, geh' rü! “ (gehe herüber). Drauf erschien die weiße Frau wirklich und kam auch auf die Leute zugegangen. Doch als diese solches wahrnahmen, ließen sie ihr Vieh im Stich und liefen, was sie nur laufen konnten.
Auf dem Ochsberg stand sonst ein Häuschen, darinnen führte die alte Barlies ein einsiedlerisches Leben. Zu der ist die weiße Frau von der Kittelwiese bei Nacht gar oft gekommen. Sie hatte einen großen Bund Schlüssel am Arm und winkte freundlich, daß ihr die alte Barlics folgen sollte. Der aber gruselte es jedesmal so sehr, daß sie sich zu dem Gange nicht entschließen konnte.
Auch auf dem Volke: oder Fockenberg muß die weiße Frau von der Kittelwiese einen Schatz so lange hüten, bis sie erlöst wird.
Ein Schäfer, der seine Heerde dort droben weidete, sah einst das weiße Fräulein von der Ferne Knotten klengen oder wie sie hier sagen: „keinen“. Bald verschwand das Fräulein. Da ging der Schäfer nach dem Platze, nahm eine Schöpfe voll Knotten von dem weißen Tuche und steckte sie, da sie schön glißerten, in die Tasche. Auf dem Heimweg verfolgte ihn ein großer schwarzer Hund. Um ihn los zu werden, warf er ihm die Knotten einzeln entgegen, und der Hund verschlang gierig eine um die andere. Nur eine einzige brachte der Schäfer mit nach Hause. Sie hatte sich in ein Goldstück umgewandelt. Ein anderer Schäfer sah an den Zäunen des Fockenbergs schöne Wäsche hängen.
Einige aus Kaltennordheim erzählten so: „Auf dem Volkenberge hat sonst ein stolzes Schloß gestanden. Die aber dort hausten, wurden immer gottloser und schlechter, so daß es der liebe Herrgott endlich selbst satt hatte und das Schloß mit Mann und Maus und Allem, was drinnen, in den Erdboden versinken ließ, so daß man noch heutigen Tags an der Gestalt des Berges erkennen kann, wo der Thurm und die übrigen Gebäude in dem Erdboden stecken. Den Schatz aber, der sich dort alle sieben Jahre noch emporheben und den Menschen zeigen soll, hat die alte Heimin von Kaltennordheim schon längst weggeschnappt. Die ging eines Tages zu glücklicher Stunde dort hinauf. sah das Kesselchen mit dem funkelnden Golde stehen, griff rasch zu und trug es auf ihrem Rücken heim. Doch ganz ungerupft ist sie auch nicht davon gekommen, denn seit jenem Lage hat ihr der böse Feind einen barbarischen Buckel angemacht.“
Quellen: