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Das „verwunschene “ Schloß im Büchensee

Ungefähr eine halbe Stunde südöstlich von Salzungen, bei dem Dorfe Wildprechtroda, liegt inmitten der Saatfelder ein etwa 100 Schritt im Geviert haltender tiefer Kessel. Er hat weder Ab- noch Zufluß; beim Volke gilt er für unergründlich. Es ist dies der Büchensee.

Der alte Cantor Röder von Wildprechtroda erzählte: „Vor uralten Zeiten stand dort ein gar prächtiges Schloß; dadrin war aber statt dem lieben Gott der böse Feind zu Hause. Der alte Schloßherr führte mit seinen drei Fräuleins ein gar heillos liederliches Leben. Durch allerlei Teufelskünfte lockten sie die schönsten Burschen und Mädchen zu sich, und dann war's um sie geschehen.

Lange Zeit hatte das so gut gethan. Da trat einstmals ein kleines graues Männchen in das Schloß, bat um Speise, Trank und Herberge, weil die Nacht vor der Thür war. Das kam aber gut an. Der Hausherr hetzte es mit Hunden und obendrein wurde es von ihm noch gar arg verhöhnt und gescholten. Und so sprach es einen schweren Fluch über Haus und Hof und Alles was darinnen. Am andern Morgen sah man an der Stelle des Schlosses den tiefen Kessel mit seinem unheimlichen Wasser. Die drei Fräuleins aber hat man nach dieser Zeit noch oft gesehen; ihnen war es gestattet, den Kirmestanz in Wildprechtroda zu besuchen, wo sie durch ihre wunderbare Schönheit den Herzen der jungen Burschen, die gar gerne mit ihnen tanzten, viel zu schaffen machten; doch sah man sie jedesmal Nachts vor 12 Uhr das Gelage eiligst verlassen. Einstmals ereignete es sich, daß ein junger Bursche, der der schönsten von ihnen zu tief in's Auge geguckt, die Uhr zurückgestellt hatte. Zwei der Nixen kehrten sich jedoch nicht daran und hielten ihre Zeit. Die dritte ließ sich täuschen und blieb. Da krähte der Hahn und mit einem Schrei riß sich die Nixe los und stürzte laut jammernd dem See zu, der erschrockene Bursche ihr nach; der sah aber nichts mehr, als den aufgeregten Kessel, aus dem bald darauf ein starker Blutstrahl emporstieg. Der arme Kerl soll bald darauf vor Herze leid gestorben sein. Die Nixen hat seitdem Keiner wieder gesehen.

Es vergingen viele Jahre, ein neuer Herr hatte sich in Wildprechtroda angesiedelt; da kam einmal ein Taucher in das Dorf und badete sich im Büchensee und erzählte dann, daß er gar wunderbare Dinge dort unten gesehen, was aber, das dürfe er keinem Menschen sagen, denn er habe einen schrecklichen Eid dort geleistet. Das erfuhr auch der neue Schloßherr, er ließ den Taucher zu sich kommen und wollte ihn ausfragen, der aber wollte nicht Farbe bekennen. Da sprach Jener: „Gut, dort mein Ofen ist kein Mensch, erzähle nun dem, was Du gesehen, so brichst Du Deinen Eid nicht!“ Der Taucher stutzte, that jedoch wie ihm geheißen und erzählte: „Als ich den Grund des See's erreicht zu haben glaubte, wurde ich immer noch tiefer und tiefer hinunter gezogen. Da sah ich auf einmal ein gar herrliches Schloß, aus dem trat ein alter Ritter mit ein paar bildschönen Jungfrauen und nöthigte mich einzutreten. Ich that's. Sie führten mich durch alle ihre Gemächer; aber so viele Schätze und Reichthümer habe ich nie beisammen gesehen. Man setzte mir auch Wein und köstliche Speisen vor, ich wollte aber nicht verzaubert werden, ließ alles ruhig stehen und dachte nur, wie ich mich wieder losmachen könnte. Davon wollten sie aber nichts wissen, bis ich ihnen versprochen wieder zu kommen und einen schrecklichen Eid geleistet hatte, hier oben keinem Menschen zu erzählen, was ich in der Tiefe gesehen.“

Der Schloßherr, der während der Erzählung gar nachdenklich geworden war, ließ jetzt den Taucher, als er sich zum Weggehen anschickte, einstecken und sorgsam bewachen, denn die Schätze ließen ihn nicht mehr ruhen. Endlich dachte er es gefunden zu haben. Er rief den Taucher wieder zu sich und befahl ihm unter Drohungen, in den See hinabzusteigen und dort auszukundschaften, wie die Schätze, aber ohne die Sippschaft, heraufgebracht werden könnten. Der Taucher wollte nicht, es half ihm aber nichts, er mußte abermals hinunter. An das Tageslicht ist er aber nicht wieder gekommen.“

Quellen: