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Der heillose Rathsmeister von Salzungen
„Vördesse“, also vor alten Zeiten ist es geschehen, daß sie einen gar reichen und angesehenen Herrn in den Stadtrath wählten, weil er in diesem schon viele Vettern und außerdem noch gar einflußreiche Frau Basen in der Stadt hatte und dicht am Rathhause wohnte. Derselbe aber war ein arger Sünder und Gottesleugner und trieb eine ärgerliche Wirthschaft in seinem Hause, gab keinem Armen ein Stücklein Brodes und frug nach Niemanden etwas, so daß er zuletzt, einige wenige Schmarotzer und Schlemmer abgerechnet, von Jedermann gefürchtet und gemieden wurde.
Dem fiel es eines Tages bei, mit einem seiner Spießgesellen ein Wettreiten nach dem Dorfe Langenfeld zu unternehmen. Dieser, so machten sie aus, sollte den Weg am Galgen vorüber reiten, er selbst aber den weiteren über die lange Maß einschlagen; und so geschah es. Die beiden bestiegen ihre Rößlein und sprengten selbander zum oberen Thor hinaus, worauf sie sich bald trennten. Als hierauf der Kumpan, an Ort und Stelle angelangt, nichts von dem Rathsmeister gewahrte, auch lange genug auf ihn gewartet zu haben meinte, wandte er sein Roß wieder um, der langen Maß zu und wollte Jenem seine Schadenfreude ob der gewonnenen Wette kund thun; entsetzte sich aber gewaltig, als er dort seinen Gönner todt neben dem Rosse am Wege liegen sah und dann von Leuten, die auf dem Felde gearbeitet hatten, noch erfuhr, daß der böse Feind in einer Feuersäule auf den Rathsmeister herabgefahren, ihm den Hals umgedreht habe und dann mit dessen schuldbeladener Seele wieder durch die Lüfte davon gefahren sei.
Von jenem Tage an aber spukte und rumorte der Rathsmeister so unerträglich in seinem Hause, daß sich seine hinterbliebene Schwester schon nach einer andern Wohnung umthun wollte, als sie noch zu rechter Zeit auf den Gedanken kam, an dem bevorstehenden Todestage ihres Bruders und so auch die folgenden Jahre eine Anzahl Brode an die Armen vertheilen zu lassen, und das half. Nach jenem Tage hatte sie Ruhe; auch ihre Erben, denen sie bei ihrem Ableben jene Brodabgabe zur strengsten Pflicht gemacht, wurden nur dann noch von dem bösen Geiste geängstigt, wenn sie zufällig oder absichtlich jenen Tag und die Armen vergessen hatten.
Als aber das Haus später in fremde Hände kam, begann der Spuk auf's Neue, und bei dem großen Brande im Jahr 1786 wollen Viele ein graues Männlein zwischen den Flammen bemerkt haben, wie es auf dem Schornsteine gar luftig tanzte und dabei in die Hände klatschte, bis das Gebäude zusammenbrach. Kaum aber stand der Neubau da, als auch schon das Spuken und Rumoren in der Geisterstunde wieder losging, und da sich die Bewohner vor dem unheimlichen Treiben auf keine Weise retten konnten, so nahmen sie den guten Rath an, wandten sich an die Klosterbrüder zu Dermbach, und diese sandten ihnen auch bald darauf einige im Geisterbannen wohlgeübte Jesuiten zu, die denn auch nach vielen Mühen den bösen Geist im Keller glücklich in einen ledernen Sack bannten, ihn sodann wohlverwahrt in ihre Kutsche brachten und mit fortnahmen.
Von jener Zeit an soll es lange ruhig in dem Hause gewesen sein. Später jedoch trat dieser böse Geist wieder in einem Seitenkeller auf.
Auch auf dem Rathhause, selbst in neuerer Zeit noch, wollen ihn die Dienstleute der Herren dann und wann als grausiges Gespenst mit gar gewaltig großer Perrücke und langem Zopfe umherschleichen sehen.
Quellen: