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Der weise Mann und der Erdspiegel in Salzungen

Vor einer Reihe von Jahren lebte in Salzungen ein sogenannter weiser Mann, Namens Adam, der vielerlei geheime Kunst übte, aber noch keinen Erdspiegel hatte. Er beschloß daher, sich einen solchen zu verschaffen, kaufte sich einen kleinen Spiegel mit einem Schieber und zwar nach Vorschrift, d. h. ohne bei dessen Einkauf mit dem Krämer zu mäkeln und bewahrte ihn bis zu dem günstigen Zeitpunkte auf.

Endlich starb auch eine Wöchnerin, die am Charfreitag beerdigt wurde. Jetzt konnte unser Adam ans Werk gehen. Nachts mit dem Glockenschlag elf stand er an der Kirchhofsmauer, zog die nackten Füße aus den Pantoffeln, ließ den Mantel zur Erde fallen und schwang sich nun im Kostüm seines Stammvaters, den Spiegel in der Hand, darüber hinweg. Scheu um sich blickend erreichte er das frische Grab der Wöchnerin und arbeitete hierauf den Spiegel im Namen des dreieinigen Gottes hinein und zwar so, daß die Seite des Glases dem Sarge zugekehrt war. Mühseliger jedoch war sein Rückweg, da Adam nach Vorschrift beim Gehen das Grab immer im Gesicht behalten mußte, doch erreichte er glücklich wieder die Mauer und bald darauf auch seine Wohnung.

Als er aber am dritten Abend wieder beim hellsten Mondschein den Kirchhof in derselben Stunde und in demselben Kostüm betrat, umhüllte ihn plötzlich schwarze, dann und wann von grellen Blizen durchzuckte Nacht, desgleichen vernahm er ein unheimliches Geräusch, als ob Jemand vor ihm mit einem Besen den Erdboden fege, um ihn von dem Grabe der Wöchnerin abzuleiten. Adam jedoch ließ sich durch das Alles nicht irre machen, fand nach einer Weile richtig das bewußte Grab und zog diesmal aber „in's Dreiteufels Namen“ den Spiegel wieder heraus, drückte ihn sorgfältig mit dem Glas auf seinen Leib und trat in der vorigen Weise den Rückweg an. Doch kaum war dies begonnen, als auch der Böse erschien und den Spiegel zu vernichten trachtete. Braun und blau gehauen dankte Adam dem Himmel, als er jenseits der Kirchhofmauer stand.

Aber er hatte ja nun einen Erdspiegel und wurde durch denselben bald einer der gesuchtesten weisen Männer der Gegend. Keine Hexe, kein Dieb war sicher vor seiner Kunst. Alle und noch viel mehr konnte er in dem Erdspiegel erblicken.

Quellen: