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Die Braut in der Husenkirche
Unterhalb Salzungen zwischen der Straße nach Vacha und der Werrabahn liegt der städtische Friedhof Husen mit einer der ältesten Kirchen des Thüringer Landes. Das Dorf Husen, zu dem letztere einst gehörte, verschwand wahrscheinlich in oder nach dem Bauernkriege.
Diese Kirche soll den Chronisten nach um das Jahr 1161 erbaut und auf Begehren des Abtes Wilibald von Hersfeld durch einen Bischof von Schleswick zu Ehren des heiligen Georg eingeweiht worden und der letzte Pfarrer von Husen, Werner Ottwald, im Jahre 1551 als Pfarrer zu Salzungen gestorben sein.
Eines der besseren von den Gemälden, welche noch jetzt das alte Kirchlein schmücken, ist die Braut, gleich rechts neben dem südlichen Haupteingange. In einem mit goldenen Bibelsprüchen verzierten Rahmen steht an einem roth behangenen (wahrscheinlich) Altar eine zarte Jungfrau im bräutlichen Schmucke. Ein kleines goldenes Kränzchen ziert ihren Hinterkopf, während die reichen, lichtblonden Locken zu beiden Seiten des lieblichen Kopfes auf einen weißen, reich mit Spitzen besetzten und durch ein schwarzes Schleifchen zusammengehaltenen Kragen niederwallen, der Brust und Schultern verhüllt. Das Kleid ist lang und schwarz; die linke, mit dem Brautringe geschmückte Hand liegt auf ihrem Herzen, in der erhobenen Rechten hält sie ein Herz, aus welchem ein Rosmarinstengel hervorkommt. Auch auf dem Altar liegt Rosmarin, sowie ein aufgeschlagenes und nach alter Weise mit Schloß versehenes Gebetbuch, neben welchem ein flammendes Herz mit einem Kreuz sich erhebt, von dem Blutstropfen niederfallen, deren Bedeutung noch durch Bibelsprüche ausgedrückt ist. Links oben in der Ecke des Bildes erscheint über Wolken, von Engelsköpfen umgeben, Christus, die Krone des ewigen Lebens und Worte des Trostes dem Herzen der Jungfrau darreichend. Gegenüber in der rechten Ecke steht ebenso Gott der Vater mit seinem Gnadenspruche. In der Mitte zwischen Beiden schwebt über Lichtstrahlen die Taube als Symbol des heiligen Geistes. In einem unter dem Rahmen des Gemäldes angebrachten verzierten Schilde ist Folgendes zu lesen: „Gott zu Ehren und Christlichem Gedächtniß der Viel Tugendreichen Jungfrau Anna Margaretha Antonia, Ernst Cyriaci, Antony Diacony allhier u. Frau Margaretha, geb. Fuldin ältesten Tochter, so in diese Welt geboren A. 1640 den 16. July und an. 1655 den 31. August wiederumb aus derselben mit ihrem in letzten Zügen inständig begehrten und in den Händen habenden Rosmarin-Zweiglein als eine wohlgeschmückte Braut zu ihrem himmlischen Bräutigam Ihres Alters 15 Jahre 6 Wochen 5 Tage, Selig hingeschieden. Mit dem sie auch nunmehr in steter Liebe wallet, singet, springet, jubiliret, triumphiret und dankt dem Herrn, dem großen König der Ehren ze. Aufgerichtet Von obvermelten, hochbetrübten Eltern im Jahre 1656.“
Mündliche Ueberlieferung berichtet: „Des Pfarrers Töchterlein war nicht nur noch weit schöner, als wie sie der Maler auf der Leinwand hinterlassen, sondern auch ungewöhnlich reich, und so konnte es denn nicht fehlen, daß sich trotz des Mädchens großer Jugend mancher reiche und annehmbare Freier bei ihr einfand. Jungfrau Anna Margaretha aber wies alle zurück mit dem Bedeuten, daß sie sich ihrem Herrn und Heiland als Braut verlobt habe und keinem irdischen Manne ihr Herz je zuwenden könne. Solches aber betrübte ihre Eltern und Freunde gar sehr. Und da sich bald darauf wieder ein angesehener Freier einfand, so brachten es die Eltern durch Ueberredung so weit, daß sie endlich unter Thränen einwilligte.
Doch sagte sie dabei, daß dies ihr Tod sein würde, ihr einziger, selbsterwählter Bräutigam könne und werde sie in der Stunde der Entscheidung nicht verlassen. Anders aber dachten die Eltern und der ihr aufgedrungene Bräutigam; es wurde eine große Hochzeitsfeier zugerüstet. Endlich kam der festgesezte Tag, und die Braut, welche immer stiller und ergebener geworden war, trat an der Seite ihres Bräutigams zum Altar. Doch in dem Augenblick, als ihr Vater, der die Trauung selbst vollzog, ihr das bedeutungsvolle „Ja“ abforderte, stürzte sie todt zu seinen Füßen nieder.“
Von Andern wird der Vorfall so mitgetheilt: „Jungfrau Anna Margaretha habe sich nicht, wie oben erzählt, ihrem himmlischen Heiland, sondern einem irdischen, recht hübschen, jedoch vermögenslosen jungen Manne verlobt. Dieß sei jedoch gegen den Willen ihrer Eltern und Verwandten geschehen, welche ihr deshalb so lange zugesetzt, bis sie nicht allein ihren Selbsterwählten wieder verabschiedet, sondern auch dem ihr von den Ihrigen bestimmten reichen und angesehenen Freier ihre Hand zugesagt habe. Am Hochzeitsmorgen aber hätte ihr früherer Verlobter ihr einen prächtigen Strauß mit einem vergifteten Rosmarinstengel zugeschickt, welchen sie auch mit an den Altar genommen und an dem sie, während der Traurede unwohl geworden, gerochen habe, worauf sie todt zu den Füßen des Diaconus niedergestürzt sei.“
Quellen: