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Die weiße Jungfer vom Ringelstein

„Es war vor vielen Jahren, als meine Eltermutter noch lebte“, begann eine alte Kräutersammlerin aus Waldfisch, „da erschien einem armen, aber braven Schnitter Nachts eine weiße Jungfrau von wunderbarer Schönheit im Traum. Sie erzählte ihm, daß sie durch einen Zauber in dem alten Schlosse Ringelstein gebannt gehalten werde und nur von Zeit zu Zeit auf der Oberfläche der Erde erscheinen und um ihre Erlösung bitten dürfe. Dies sei eben jetzt der Fall und ihn habe sie nun dazu auserlesen; er solle sich daher um eine bestimmte Stunde in der Johannisnacht nach dem Ringelstein auf den Weg machen, dort wolle sie ihm wieder erscheinen. Er möge daher nicht erschrecken und ja keine der Fragen, die sie ihm vorlegen würde, auch wenn sie noch so sehr darum bitten würde, beantworten, denn von seinem Schweigen hänge ihre Erlösung ab. Sein Lohn würden dann die verwünschten Schätze im Ringelstein sein, die sie ihm eröffnen und zeigen werde.

Als nun der Morgen graute und der Schnitter erwachte, erzählte er Alles seiner jungen Frau. Diese aber schüttelte den Kopf und meinte, es sei dummes Zeug. Als nun aber das Fräulein die zweite und dritte Nacht dem Schnitter auf dieselbe Weise erschien, sagte die Frau: „Weißt du was, lieber Mann, ich dächte doch, wir probirten die Sache einmal. Die Jungfrau wird uns ja an Leib und Seele kein Leid zufügen. Allein jedoch laß ich Dich nicht ziehen, ich gehe mit.“ Der Schnitter war's zufrieden und so zogen sie selbander zum Ringelstein.

Richtig kam ihnen auch die schöne Jungfrau entgegen; auch beantworteten sie anfangs keine ihrer Fragen. Da jedoch das Fräulein gar zu flehentlich bat, konnte es die Schnitterin nicht mehr über sich gewinnen und ließ ihrer Zunge freien Lauf. Doch kaum waren die Worte heraus, so öffnete sich der Boden und die weiße Jungfrau verschwand händeringend und laut, wimmernd vor, den Augen des erschrockenen Ehepaares. An der Stelle aber, wo sie verschwunden, stand jetzt ein großer schwarzer Hund mit feurigen Telleraugen.“

Quellen: