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Vom weiß verschleierten Fräulein an der Wallfahrt

Hinter Schloss Altenstein, doch schon ziemlich weit oben im Gebirge, stand an der Kristallquelle der Glasbach am Fuße der Granitfelsen des Gerber- oder Gerwinsteines eine dem heiligen Michael geweihte Wallfahrtskapelle, die jedoch gleich dem dortigen Dörfchen Glasbach zu Luthers Zeiten bereits in Trümmern lag. Jene Stätte aber heißt heute noch die Wallfahrt oder Walper und blieb dem Volk gefeit; denn am Johannistag blüht dort dem Glücklichen die große goldgelbe Schlüsselblume, die ihm zu den verborgenen Schätzen die Pforte öffnet. Ebenso lässt sich allda auch noch von Zeit zu Zeit ein weiß verschleiertes Fräulein blicken und tritt mit den Leuten in Verkehr.

So ging einst in einem strengen Winter eine arme Frau aus Steinbach mit ihrem Kind zu der Walper ins Leseholz. Da erschien die Weißverschleierte dem Mägdlein, nahm es freundlich an der Hand und führte es in einen wunderschönen Garten voller köstlicher Blumen und Beeren und verhieß ihm beim Scheiden, es bald wieder mit sich zu nehmen.

Als nun das Kind mit der Mutter nach Hause kam, da erkrankte es heftig, und als die Mutter weinte, da sprach das Mägdlein: »Da kommt die weiße Jungfer, siehst du sie nicht, Mütterchen? Sie nimmt mich mit in ihren Garten zu den schönen Blumen und Beeren!«

Und die Mutter jammerte um ihr totes Kind.

Quellen: