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Die Brücke vor Mühlrose

  Schleife, Mühlrose

An der Brücke vor Mühlrose (wenn man von Schleife kommt), geht es nachts um; oft hat es da schon gescheucht. In der Gegend ist das Forsthaus Mühlrose. Auf dem Fleck daneben stand früher das Haus des Ziegelmeisters. Dann weiterhin im Walde, seitwärts vom Wege, der nach der Brücke führt, stand früher ein Ziegelofen; noch ist da der Hügel, wo er stand zu sehen. Seitwärts vom Wege sind auch noch alte Lehmgruben, da soll mal ein Mädchen mit ihrem Kinde erschlagen worden sein. Aus den Lehmgruben kommt immer der Spuck und geht den Weg entlang bis zur Brücke. Mal kam aus den Lehmlöchern eine Frauengestalt und vor ihr ging ein weisses Schaf, die ist in das Ziegeleihaus [neben dem Forsthause] gegangen.

Mal kam ein graues Männchen des Abends zum Ziegelmeister, er sollte mitkommen; der wollte nicht. Anderen Abend kam es wieder: der wollte wieder nicht. Den dritten Abend legte sich der Ziegelmeister in die Hölle hinterm Ofen. Da riss es ihn vor und warf ihn in die Stube, jammerte: »Nun muss ich wieder warten, bis ein Baum gewachsen sein wird, und aus dem Bretter geschnitten, und aus den Brettern eine Wiege gemacht. Wer in der Wiege gewiegt ist, kann mich erlösen«.

Zum Ziegelmeister Zynašk, ins Ziegeleihaus, kam ein Mädchen von achtzehn bis zwanzig Jahren, hatte ein rothes Tuch um den Hals und eine blaukarrirte Schürze an, und bat, er sollte ihr ein neugeborenes Kind geben, mitkommen und sie lösen. Das wollte er nicht. Anderen Tags kam sie wieder, bat, er sollte ihr ein neugeborenes Kätzchen oder Hündchen geben und mitkommen. Das wollte er nicht. Da kam sie den dritten Abend, bat und jammerte, es könnte sie nur einer lösen, den dreimal eine Otter (zmija) gebissen hätte.

Mal ging einer Nachts des Weges da und vor ihm sein grosser Hund. »Der war bekannt,« dass er nichts fürchtete und alle biss. Auf einmal kehrte der Hund um und drängte sich ängstlich an dessen Füsse. Gleich darauf lief etwas Schwarzes wie ein Hund über den Weg.

Früher soll da an einer Stelle über den Weg immer der nocny jagaŕ gekommen sein. Als mal Šěmko aus Schleife eines Nachts da ging, da ging's vor ihm wie ein starker wichoŕ (Wirbelwind) »durch« (von Morgen gegen Abend). Die Bäume haben nur so geknastert. Es war lauter Quitschen und Kritschen in den Stämmen, weil die Aeste einander rieben, und die Wipfel beugten sich bis zur Erde.

Auf dem Mühlroser Damme (hinter der Brücke, gen Mühlrose) hat es einen gescheucht, dass er darnach gestorben ist.

Quelle: Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 82.