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Der Nyx und die Mädchen
Im Frühjahre, das war so gebräuchlich, kamen die Mädchen aus Rohne nach dem grossen Teiche bei Schleife, um sich da Schilf (rogoža) zu holen, und mussten sich immer wegen des grossen Wassers nackt da ausziehen; in dem Teiche aber war der Hodernyks. Da waren auch zwei Mädchen gekommen, die eine hiess Tajncoc und die andere Domulic, beide aus Rohne. Die zogen sich aus, fassten sich zusammen an den Armen und gingen durch das Wasser nach dem Schilf. Auf einmal fasste der Hodernyx der einen nach den Beinen und zog so alle beide ins Wasser, weil sie sich festhielten. Und die Mädchen verschwanden, kamen aber noch einmal zum Vorschein und schrieen beide. Der Hälterpächter (haldarnik)1) der da war, hatte von Weitem zugesehen, wie die zwei durch das Wasser gingen,2) fuhr gleich mit dem Kahne, konnte aber die beiden Leichen nicht finden. Erst am anderen Tage fand man sie, an den Füssen und am ganzen Leibe zerkratzt und zerbissen, und ganz blau. Das hatte der Hodernyx gethan.
Der Hodernyx ging in der zwölften Stunde mittags herum, und ging vielmals am Teichdamm. Dem mussten früher die Leute öfters frischgebacknes Brot, kołac oder tykańc, an den grossen Teich Waŕawa tragen, sonst war es für niemand sicher da zu »grasen« oder durchzuwaden. S.
Quelle: Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 59-60.