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Die Zigeuner

Vordessen, und noch bis vor etwa zwanzig Jahren kamen alle Jahre Sommerszeiten Zigeunerbanden gezogen. Meistentheils, wenn sie nach Steinbach kamen, schlugen sie ihr Lager außerm Dorf auf, und kamen nur Einzelne hinein, sagten den Leuten wahr und bettelten, mausten aber auch, wenn sie etwas erwischen konnten, wie die Katzen und stahlen, wie die Raben. Die Leute fürchteten sich vor ihnen, und gaben, was sie geben konnten, damit sie sie nur wieder los würden, und keine Läuse von ihnen angemacht, oder sonst etwas angethan bekamen. Einmal spät im Herbst, wo schon alles eingeärntet war, kam auch so eine Zigeunerbande gezogen. Es war wildes Wetter und grimmig kalt, so daß sich nicht mehr wohl im Freien aufzuhalten war. Da kam die ganze Bande in das Dorf und baten die Leute um Gottes Willen, sie möchten sie doch die Nacht über in einer Scheune bleiben lassen. Niemand wollte sie aufnehmen, endlich erbarmte sich aber das alte kleine Reeschen1), das bei der Linde daheim war, und machte ihnen seine Scheune auf. Wie nun die Zigeuner ein Weilchen in die Scheune hinein waren, und das Reeschen wieder in die Stube gegangen war, da wurde auf einmal ein Tumult vor seinem Haus, und liefen die Leute aus dem ganzen Dorf zusammen, und schrien, und wie das kleine Reeschen das Fenster aufmachte, herausguckte und fragte, was es denn eigentlich gäbe? schrien die Leute: die Zigeuner steckten seine Scheune an, und hätten ein Feuer darin angemacht, das bis in den Bärn2) hinauf lodere. Da erschrack das Reeschen, machte sich hinaus und mit ein Paar Nachbarn in die Scheune, wo richtig die Zigeuner solch ein Feuer hatten, das bis hinauf schlug, wo alles Stroh von der ganzen Aernte lag – wusch sie an und sagte, das wären ja dumme Narrenspossen mit ihrem Feuer, sie könnten ja das ganze Dorf anstecken, und gleich sollten sie ihr Feuer wieder ausmachen, oder sie müßten den Augenblick zur Scheune und zum Dorf hinaus! Ob das der Dank wäre, daß er sich ihrer erbarmt und sie aufgenommen hätte, daß sie wollten seine Scheune mit der ganzen Aernte ihm überm Kopf anstecken? Da saß so eine alte ururalte Zigeunersmutter beim Feuer, die nahm das Wort und sagte zu den Gekommenen: Nix Scheun, nix Haus, nix Dorf ansteck. Unsre Feuer nix ansteck, wir Gewalt hab über die Feuer. Und winkte einigen ihrer Leute und kalwatschte3) etwas in ihrer Sprache mit ihnen. Die, wie der Blitz die Scheuernleiter hinauf, und warfen ein Paar Schütten Stroh herab, steckten diese an die Heugabel, und hielten sie mitten in das Feuer hinein. Da erschrack das kleine Reeschen erst recht, und dachte, sie wollten nun die Scheune mit Fleiß anstecken. Aber wie die zwei Schütten Stroh so ein Weilchen ins Feuer gehalten worden waren, daß die Flammen hineinloderten, und man nicht anders dachte, als sie müßten über und über brennen, da thaten die Männer sie wieder heraus, und legten sie vor die Steinbacher hin, und da war auch kein Hälmchen versengt. Danach fing die alte Zigeunerin wieder an und sagte zu dem Reeschen und den Andern, ob sie nun gesehen hätten und glaubten, daß der Zigeuner Feuer nichts anbrenne und diese Gewalt darüber hätten? Sie möchten nur ganz ruhig nach Hause gehn, und unbesorgt sein. So lange die Zigeuner im Dorfe wären, könnte gar kein Feuer auskommen. – Da mußten jene wieder fortgehen und die Zigeuner mit ihrem Feuer gewähren lassen; das brannte fort und loderte empor bis zum Morgen, aber es brannte nichts davon an. Und als nun am andern Morgen die Zigeuner aufbrachen weiter zu ziehen, da kam die Alte hinein zum kleinen Reeschen in die Stube, bedankte sich für sich und ihre Leute, und ging zu ihm, und klopfte ihn auf die Achsel und sagte ihm: so lange sein Haus und seine Scheuer ständen, könnten sie nimmermehr abbrennen, und wenn auch rings darum das ganze Dorf abbrennte, sie hätten es für ewige Zeiten festgemacht, und das wäre der Dank dafür, daß er sich ihrer in dem wilden Wetter erbarmt, und sie in seine Scheune aufgenommen hätte.

Quellen:


1)
Andreschen
2)
Heuboden
3)
rothwälschte.