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Die Eselseier
Viel wird den Wasungern nachgeredet, von seltsamlicher Eierausbrütung. Ein Fuhrmann kam mit seinem Geschirr durch die Stadt, der hatte Kürbisse geladen. Die Wasunger hatten dazumal noch keinen Kürbis gesehen, und hielten sie für Eier, fragten auch gleich neugierig, was das für Eier wären? Der Fuhrmann war ein loser Schalk, und antwortete: Das sind Eselseier, die ich nach Hamburg fahre; dort werden sie ausgebrütet, und kommt aus jedem ein kleiner Esel. Da gedachten die zu Wasungen auch eine Probe mit zu machen, und wurden auf gemeiner Stadt Unkosten einige dieser Eier erworben, welche die ehrsamen Bürgerinnen ausbrüten sollten. Oben auf dem steilen Berge, darauf das alte Schloß, die Maienluft steht, wurde das Eselsnest gebaut, die Eier hineingethan, und bebrütet, wobei die Weiber nach Rang und Stand einander ablösten. Einer Bürgersfrau wurde überdem brüten die Zeit lang, sie rutschte hin und her auf dem Nest, und siehe, da fiel eins der Eier heraus, und rollte mit Blitzesschnelle bergab. Die Frau erhob ein Zetergeschrei, und ein Wasunger, der in der Nähe sich befand, und den Lärmen hörte, auch das Ei laufen und rollen sah, stürzte diesem eilend nach, und auf eine Hecke zu, in welche es eben hineinlief und seinen Blicken verschwand.
In diesem Augenblick sprang ein Haasje aus der Hecke, und suchte den Berg entlang das Weite. Wie der Wasunger dessen lange Löffel sah, hielt er sie für Eselsohren, vermeinte, es sei das junge Eselein, das aus dem Ei gesprungen, und nun sein Nest suche, und schrie aus Leibeskräften: Heda, Heppele! hie erom! da obe ihs di Moittr!1) Allein das vermeinte Eselsfüllen sprang über alle Berge, und wurde nicht wiedergefunden. Die übrigen Eier waren leider alle verbrütet, und hatte sonach gemeine Stadtkassa ihr gutes Geld umsonst ausgegeben.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung, Band IV S. 122-124