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Neun Kinder auf einmal

Es war ein Graf in Querfurt, Gebhard genannt, des heiligen Bruno Bruder, ein ernster und gestrenger Herr, und hatte ein edel Gemahl aus Sachsen bürtig. Diese gebar in ihres Herrn Abwesenheit neun Kindlein auf dem Hause zu Querfurt, darüber sie und alle Weiber, die um sie waren, heftig erschraken, und nicht wußten, wie sie sich verhalten sollten, zumal ihr Herr gar wunderlich war, und sie besorgtern, daß er schwerlich glauben würde, daß dieses mit rechten Dingen zugehen könne, daß ein Weib von einem Mann so viele Kinder auf einmal haben könne. Denn er hatte schon zum öftern über Weiber, welche nur zwei oder drei Kinder auf einmal zur Welt gebracht, beschwerliche Gedanken und Reden laut werden lassen. Daher wurden die Frauen in ihrer Furcht einig, acht dieser jungen Kinderlein heimlich bei Seite zu schaffen, und nur das Neunte und Stärkste zu behalten, und wurde einer unter ihnen befohlen, diese achte in einem Kessel hinwegzutragen und in den Teich unter dem Schlosse, über der Mühle, mit Steinen beschwert zu versenken. Nun war damals der heilige Bruno zu Querfurt, und ging nach seiner Gewohnheit am frühen Morgen in das Freie, sein Gebet zu thun, und wandelte an einem schönen Quellbrunnen in frommen Betrachtungen auf und ab. Da kam das Weib, und wollte stracks ihres Wegs vorüber eilen, denn sie fürchtete sich, aber als sie nahe bei St. Bruno kam, winselten die Kleinen im Kessel unter dem Mantel, und er verwunderte sich, fragte das Weib, was es trage? Obwohl sie nun zur Antwort gab, es wären junge Wölflein oder Hündlein, so dünkte ihm doch, daß die Stimmen nicht aller Dinge lauteten, wie junger Hündlein Stimme, wollte sehen, was es Wunders sei, rückte ihr den Mantel auf, und sah, daß sie acht junge kleine Kinder trage. Dar-über über alle Maßen entsetzt, drang St. Bruno in das vor Schrecken starre und stumme Weib, zu sagen, woher sie komme? wem die Kinder? und was sie mit diesen thun wolle? Darauf berichtete das Weib zitternd und zagend den ganzen Handel. So verbot nun Herr Bruno ihr ernstlich, keinem Menschen, auch der Mutter nicht, von dieser Sache zu sagen, und sollte sie auf dem Schloß nur ausreden, daß der Befehl vollzogen sei. Dann nahm er die Kindlein, taufte sie aus dem lieblichen Brunnen, nannte sie alle Bruno, und sorgte, daß dieselben da und dort als verlassene Waisen untergebracht und auferzogen wurden, eins in der Mühle und die andern anderswo. Denen er die Kindlein aufzuerziehen anbefahl, gab er Geld und ließ es heimlich halten. Wie aber die Zeit herankam, da er zum letztenmal aus Querfurt in das Land Preußen ziehen mußte, und dachte, daß er wohl nimmer wiederkehren möchte, da offenbarte er vernünftiglich seinem Bruder Gebhard, was sich zugetragen, wie die Kinder geboren und lebendig erhalten worden, und wo sie anzutreffen wären. Zuvor aber nahm er ihm das Gelöbniß ab, daß er, was geschehen, seiner Gemahlin nicht unfreundlich entgelten lassen, sondern hierin Gottes Wunder und Gnadenwerk erkennen wolle. Darauf ging der heilige Mann auch zu der Gemahlin, entdeckte ihr alles, und strafte sie wegen ihrer unbedächtigen und unmütterlichen That ernstlich, doch da sie bereits etliche Jahre her ein bereuend und hochbetrübtes Weib durch ihr Gewissen gewesen war, so tröstete er sie auch. Da war beides, groß Leid und Freude bei einander, und rief nun St. Bruno die beiden Gatten zusammen, ließ die acht Knäblein, zuvor überein gekleidet, holen, und stellte sie gegen die Osterzeit den lieben Aeltern vor. Denen wallete, als sie die Kinder sahen, das väterliche und mütterliche Herz, und sie sahen gar bald an der Kinder Gestalt und Geberden, daß sie des Neunten rechte Brüderlein. Das aus Kupfer bereitete Becken, darin das Weib diese acht Kinderlein soll von der Burg getragen haben, und darin der Heilige sie taufte, zeigt man noch heutiges Tages zu Querfurt zum Gedächtniß dieser Geschichte in der Schloßkirche, oben vor dem Chor in dem steinernen Schwibbogen, mit einer eisernen Kette angeschmiedet. Den Teich, darin die Kinder sollten gleich jungen Wölfen ersäuft werden, heißt man noch den Wölferteich, und der schöne Quellbrunnen wurde zum ewigen Gedächtniß der Brunosbrunnen genannt. Er ist mit einer Mauer umfaßt und überbaut worden, und führt ein helles und gesundes Wasser.

Quellen: