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Vom Püsterich
Einer der letzten Burgmänner auf Rothenburg, ein Herr von Lütcherode, ließ eine unterirdische Kapelle von Schutt und Steinen räumen, da ward ein seltsames metallenes Bild gefunden, in eines dicken Knaben Gestalt, unförmlich, welcher eine Hand auf das Haupt, die andere auf den linken Schenkel gelegt hielt, und kniete. Es war aber das linke Bein halb abgebrochen und der rechte Fuß. Auf dem Haupte und am Munde befand sich eine kleine Seffnung. Von diesem Bilde ging bald die allgemeine Sage, daß es ein Gößenbild aus der Heidenzeit gewesen, und weil es die Eigenschaft hatte, wenn entzündlicher Stoff in dasselbe gefüllt, jede der zwei Oeffnungen verkeilt, und das Bild auf glühende Kohlen gesetzt wurde, mit Geräusch die Pfropfe von sich zu stoßen, und Rauch und Flammen gleichsam auszupuhsten, so wurde es Püsterich, Pühster, genannt. Damit sollen nun die Heidenpriester, die auf dem Berge, wo die Rothenburg nachher erbaut wurde, einen Tempel gehabt, (man nennt noch den Weg, der von Kelbra durch den Wald empor führt, den Hainweg, und ein Stück Land, etliche Morgen groß, den Haingarten, was an Heidnische Opferstätten erinnert) manches Gaukelwerk, das Volk zu schrecken und ihm zu drohen, verübt haben. Darüber ist für und wider erstaunlich viel geschrieben, und sind gar mannichfaltige, zum Theil sehr alberne Muth, maßungen laut geworden. Man hat auch einiges male die Probe gemacht, und das Bild Feuer speien laffen, es ist aber niemals gut abgelaufen. Einmal ließ in Abwesenheit des damaligen Grafen Anton Heinrich ein Hauptmann und Schöffer den Püster mit Wasser anfüllen, und in der Hoffüche über Kohlengluth seßen, auf daß er puhste; dieses that er auch, aber davon entstand ein solches Feuer, daß das ganze Schloß in Gefahr kam, und welches nur mit großer Noth gelöscht werden konnte.
Im Naturalienkabinet auf dem Sondershäuser Schlosse ist der Püsterich noch wohlerhalten aufgestellt, wie er gefunden worden, nur fehlt ein Stück des linken Armes, das ihm ein Landgraf zu Hessencassel zum Behuf chemischer Untersuchung des Metalls abnehmen lassen.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung