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Der Venetianer

Es ist allgemeine Sage unter dem Volke in der güldnen Aue, das oft Venetianer auf dem Kiffhäusergebirge umhergewandert, und noch umherwandern, dessen verborgene Schätze auszubeuten. Mancher soll zu Fuße gekommen, zu Pferde hinweggeritten sein; und mancher einem und dem andern Bewohner der Gegend die bekannte Rede anzuhören gegeben haben: Ihr lieben Deutschen werft oft einen Stein nach einer Kuh, der mehr werth ist, als die Kuh selbst. In Sondershausen lebte ein Müller, Namens Lau, ein großer und starker Mann, der unter der Potsdammer Garde gestanden hatte, dieser ließ in den Brüchen auf dem Kiffhäuser seine Mühlsteine brechen. Eines Tages fuhr er, wie er selbst erzählt hat, mit einem Knappen auf den Berg, ließ diesen den Rennweg fahren und schlug den Fußsteg ein, der ihn nahe zu dem alten Thurme führte. Auf einmal trat ihm, aus der Erde gezaubert, ein dicker stämmiger Bursche nahe, im Bergmannshabit, und bot ihm guten Abend. Nach einem Gespräch richtete der fremde Bursche an den Müller die Worte indem er auf eine nahe Kluft zeigte: Kriecht mit mir in diese Höhle hinein, und helft mir einen Stein losbrechen, der soll uns beide glücklich machen. – Solchem Verlangen Folge zu leisten, hatte aber der Müller ganz und gar keine Lust, und schlug das Begehren ab. Darauf drohte der Kleine mit Zwang, worauf der Müller ihm einen derben Schlag versetzte. Alsobald fühlte er sich aber auch gepackt, und mit solcher Heftigkeit zu Boden geworfen, daß ihm alle Rippen krachten, bald darauf wieder erhoben, und wieder niedergeworfen; bald lag der Kleine unter ihm, bald er unter dem Kleinen, der mit der Gewandheit eines Aals immer unter ihm hinwegschlüpfte, bis endlich der Knecht des Müllers seinem Herrn zu Hülfe kam, und mit einem Reitelstocke auf den Kleinen losschlug. Da ließ dieser ab, verschwand in ein enges und schmales Bergloch hinein, und kam nicht wieder zum Vorschein. Der Müller aber fuhr mit schmerzenden Gliedern und blauen Flecken nach Hause. Wahrscheinlich ist der Bergmann ein Venetianer gewesen.

Quellen: