<<< zurück | Die Sagen des Kiffhäusers und der Güldenen Aue... | weiter >>>
Die Flachsknotten
Knaben aus Kelbra gingen in die Nüsse auf den Kiffhäuser. Ein großer Theil des Bergabhanges wie des Gipfels ist mit Haselnußsträuchen bewachsen. Sie durchkrochen Gebüsch und Ruinen, und fanden eine Wendeltreppe, die zu einem Gemach emporführte, darin achteckige rothe und blaue Fensterscheiben waren. Auch lag in einer Ecke dieses Gemachs eine Spindel mit Flachs, und ein großer Haufen Flachsknotten. Diese faßten die Knabe in ihre Mützen und Hüte, und warfen einander damit zur Kurzweil, so daß sie die Knotten auf den ganzen Weg verzettelten. Es war schon Abend als die Knaben nach Hause kamen, und die Aeltern des Aermsten waren eben im Tischgebet begriffen. Der Knabe nahm sogleich den Hut ab um mit zu beten, da fiel es klingend vor ihm nieder, da lag Glänzendes auf der Erde verstreut, die Mutter bückte sich und siehe, die Flachsknotten, die im Hut und Haar des Knaben hängen geblieben waren, hatten sich in Gold verwandelt; die Prinzessin bescherte das dem armen Jungen, daß er etwas dafür lernen sollte. Bald verbreitete sich in Kelbra die Kunde von dem Glück, Jung und Alt lief am andern Tage auf den Berg, um die Spinnstube der Prinzessin zu finden, und wo möglich, ganze Maltersäcke voll Goldknotten einzusacken aber Wendeltreppe, Stube, bunte Scheiben, Flachs und Knotten waren verschwunden.
Ueberhaupt wird von Flachsknotten manche ähnliche Sage erzählt.
Die Frankenhäuser Botenfrau geht einmal über den Berg, und findet am Weg einen Haufen Knotten hingebreitet, die klingen und lachen. Sie nahm drei davon, die sich hernach in Gold verwandelten, und dieß that sie öfter; bis die Habsucht ihr eingab, mehr zu nehmen; die verwandelten sich in Unflath, und niemals fand sie wieder welche.
Einmal ging ein Mann aus Kelbra im Winter nach Frankenhausen den Rennweg, da sah er eine Jungfrau Knotten über den Schnee zum trocknen ausbreiten, schaute ihr verwundert zu, und bat sie, ihm zu erlauben, einige Knotten mitzunehmen. Die Jungfrau hieß ihn zu nehmen, so viel er wolle, doch fragte sie, wozu er die Knotten haben wolle? Er erwiederte: Zum Wahrzeichen, wenn ich zu Hause erzähle, daß ich hier oben im Winter habe Knotten trocknen sehen, denn sonst wird es mir doch Niemand glauben. Er nahm, grüßte dankend und ging. Als er zurückkam an denselben Platz, fand er gar keine Spur mehr von der Jungfrau und den Knotten, nur seine eignen Fußtapfen im Schnee außer der Wegbahn nahm er wahr. Verwundert und schauernd eilte er hinab in sein Dorf, erzählte was ihm begegnet, und zog seine Knotten hervor. Sie waren in Goldkörner verwandelt.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung