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Die Glücksblume
Ein armer Hirte aus Sittendorf stand oben am alten Kaiser Friedrich1), und gedachte mit Kummer seiner Armuth, die ihm hinderte, seine Geliebte zu heirathen. Siehe, da erblickte er eine wunderschöne blaue Blume, wie er noch nie eine geschaut, und er pflückte die Blume und steckte sie an seinen Hut, um sie der Braut mitzubringen. Auf einmal wird er in einer weiten Mauerspalte ein Zwerglein gewahr, das winkt und winkt ganz freundlich, und er faßt sich ein Herz, ihm zu folgen. Da geht es tief, tief hinunter, und in den Gängen des Berges ist eitel Glanz und Pracht von herrlichen Gesteinen zu schauen, auch sein Fuß tritt auf schöne Steine, und er hebt einige davon auf, im Bücken fällt ihm die Blume vom Hut, da überkommt ihm gleich ein Grausen, und er wendet sich eilend um, den Ausgang zu gewinnen. Stimme schallt hinter ihm: Vergiß das Beste nicht! Aber er eilt unaufhaltsam von dannen. Als er nun in den Ruinen steht, und noch nicht recht weiß, wo er ist, erscheint wieder der Zwerg, diesesmal mit zorniger Miene, und fragt: Wo hast Du die Blume? Ich habe sie verloren! antwortet furchtsam der Hirte. Du Thor! zürnt da der Zwerg: Die Blume war Dir bestimmt und mehr werth, als die Rothenburg und der Kiffhäuser! Riefs und verschwand. Traurig ging der Hirte heim, und erzählte am Abend seiner Geliebten, was ihm im Berge begegnet. Dabei fielen ihm die Steine ein, die er aufgelesen, und er warf sie ihr in den Schooß. Ei wie klangen sie so schön, und waren eitel Gold. Nun konnten sich die Liebenden heirathen und miteinander glücklich seyn.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung, Band IV S. 16-17