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Der grünende Pfahl
Nahe beim Dorfe Untermaßfeld erhebt sich der Hexenberg, so genannt, weil auf ihm die Hexen nicht etwa, tanzten, sondern verbrannt wurden, und zwar sehr viele. So war auch ein armer Junge aus Leutersdorf, Namens Hans Schau, der Hexerei angeklagt, wurde im Amt zu Maßfeld torquirt und mußte, wie sehr er auch seine Unschuld betheuerte, bekennen, daß er ein schädlicher Herr sei, und da kam es von Jena, daß er verbrannt werden sollte. Der Jüngling wurde zum Dorfe hinausgeführt, über die Werrabrücke, die Hexentreppe, davon noch Rudera1) sichtbar, und den Berg hinauf; viel Volk lief mit. Als der arme Sünderzug den Berg etwa halb hinauf war, kam man an eine Stelle, wo ein Bauer Pfähle einschlug, um junge Bäume daran zu binden. Da wandte sich bei einem dieser Pfähle der Jüngling weinend nach dem Volk, hob seine gefesselten Hände gen Himmel und rief: So wahr ich unschuldig zum Tode geführt werde, so wahr wird Gott ein Zeichen thun und geben, daß dieser dürre Pfahl ausschlagen und zum starken Baume werden wird!
Die Richter und das Volk aber lachten sein, und so ward er verbrannt. Wie Alles wieder herunter kam, blieben Einige bei dem Pfahl stehen, und siehe, da sproßten grüne Blättlein heraus und braune Zweiglein, aus denen Knospen brachen, und lebendiges Grün sprang aus dem todten Holz. Deß wunderte sich Jedermann und ging nachdenklich nach Hause. Und seitdem ist keine Hexe und kein Hexenmeister mehr im Henneberger Land verbrannt worden. Der Pfahl aber wurde eine starke Buche, die einzige am Hexenberg, der mit Nadelholz bewachsen ist, und steht noch in Köhlers Berggarten, wo Jeder sie sehen kann.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung