Dies ist eine alte Version des Dokuments!


<<< | Sagen aus Thüringens Vorzeit, den drei Gleichen, dem Schneekopf und dem thüringischen Henneberg | >>>

Böse Zeit und neue Krankheiten

Kometen verkündeten dem Wunder- und Zeichengläubigen Volke Thüringens 1471 und 72 schreckliche Dinge, und schwer empfand mancher Ort die strafende Gotteshand. Die Rache eines beleidigten Ritters ließ Erfurt in Brand stecken, daß 2000 Häuser in Flammen aufgingen, auch Naumburg brannte fast ganz aus; und während Thüringen sich mühsam von den Wunden erholte, die ihm der Bruderkrieg und zahllose Fehden geschlagen, war es wieder eine verderbliche Seuche und die Wuth entfesselter Elemente, die es heimsuchten.

Schrecklich wird die Seuche geschildert, die 1472 das Land drückte, grausam sei sie gewesen, wie nie eine zuvor. Alle Freundschaft und Liebe nahm ein Ende, und die Unbarmherzigkeit nahm zu. Alle Bande des Blutes wurden nicht mehr geachtet, Brüder ließen von Brüdern, Männer von Frauen, Aeltern von Kindern, und umgekehrt; kein Nachbar stand dem andern bei; Priester und Mönche weigerten sich, die Kranken beichten zu hören, oder sie mit den Sacramenten zu versehen, ja sie weigerten die Beerdigung in gekauften oder bezahlten Begräbnissen. An manchen Orten waren die Amtleute so unbarmherzig, daß, wenn sie hörten, es liege in irgend einem Hause ein an der Seuche Gestorbener oder von ihr Befallener, sie einen Haufen rohes Volk hinsandten, die mit Ungestüm und Wüthen die Kranken entweder aus Gemächern und Häusern stießen, oder sie in denselben fest verschlossen, daß ihnen Niemand irgend eine Handreichung thun konnte, worüber Mancher auf das elendeste umkam, während jene Buben allen verderblichen Frevel trieben. Dazu durchzogen Mordbrenner das Land, angehetzt von Apel Vitzthum und seinem Anhang, und man fing ihrer zu Gotha, Jena, Tonna, Mühlhausen, Naumburg, Artern, Wiehe, Nebra, zu Staffelstein bei Koburg und in vielen andern Städten und Ortschaften. Dieses Gesindel brachte solche Furcht hervor, daß man nicht wagte, in den Städten einen Jahrmarkt zu halten, sondern, um das Einschleichen schädlichen Volkes zu verhüten, Käufer und Verkäufer draußen auf dem freien Felde Markt halten ließ.

In diesem Jahr, 1473, blüheten die Bäume in der Fasten, es regnete zwischen Ostern und Michaeli kaum einmal, wodurch ein solcher Wassermangel und so große Hitze entstand, daß Flüsse und Bäche gänzlich austrockneten, das Trinkwasser gekauft werden mußte, und der Thüringerwald, der Harzwald und der Böhmerwald sich entzündeten. Achtzehn Wochen lang dauerten die unerhörten Waldbrände, mehr als ein Waldort ging von der Glut berührt in Flammen auf, und es mußte die ganze Bevölkerung aufgeboten werden, dem Brand zu wehren.

Im Jahr 1485 entstand zuerst in England eine neue und bösartige Seuche, welche sich bald auch in Deutschland und über Thüringen verbreitete. Die Kranken fielen in übermäßigen Schweiß, der sie fast gänzlich auflöste, und Viele starben in 24 Stunden hin. Man nannte diese Krankheit den englischen Schweiß; besonders stark wüthete sie 1529; viele Tausende starben, Eintausend davon allein in Erfurt. Im folgenden Jahr erschien auch der Scharbock (Scorbut) zuerst in Thüringen, eine Krankheit, von welcher zuvor Niemand etwas gewußt, noch gehört.

Quellen: