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Zigeuner und Böhmen in Thüringen

In Thüringen erschienen um diese Zeit zuerst die Zigeuner, ein fremdes braunes Volk, herumziehend und in großen Horden das Land durchstreifend. Sie redeten eine fremde Sprache, sagten, daß sie zunächst aus Böhmen kämen, aber aus dem Lande Aegypten stammten. Wir müssen die Welt durchwandern, sprachen sie: um unsrer und unsrer Vorfahren Sünde Willen, auf die ein Fluch gewälzt ward. Und man hat dieses Volk darauf Jahrhunderte lang durch Thüringen abenteuerlich ziehen sehen.

Nie ist eigentlich bekannt geworden, was für eine Religion diese Zigeuner gehabt, denn aller Orten gaben sie vor, die Lehre zu bekennen, welche die herrschende da war, wo sie sich aufhielten. Sie selbst hielten unter sich keinen Gottesdienst, und hatten keine Priester. Sie nährten sich von Gaukelkünsten, Wahrsagen, Segensprechen, Traumdeuten, Betteln und Stehlen, und in manchem Thüringischen Ort haben sich wunderliche Sagen von ihnen erhalten. Das Volk fürchtetete sie sehr, und gab ihnen gern, was sie begehrten, denn es schrieb ihnen übernatürliche Kräfte zu, und es war am Tage, daß sie Zauberei trieben, weshalb sie auch an manchen Orten hart verfolgt wurden. Jetzt sieht man ihrer in Thüringen nur noch wenige und selten.

Außer den Zigeunern, die sich Bohemen nannten, kam auch in jenen Zeiten viel böhmisches Volk in das Thüringerland, welches heimlich herbeigerufen worden durch Herzog Wilhelm, der mit seinem Bruder, Kurfürst Friedrich dem Sanftmüthigen, ob der Theilung des Thüringer Erbes, in Krieg und Fehde begriffen war. Diese Böhmen zeigten sich würdig ihrer Landsleute, die in frühern Jahren Thüringen verheerten, und übten frech die alten Gräuel in dem Lande, zu dessen Beistand sie gerufen waren. So thaten sie in dem Gebiet der Bischöfe von Naumburg und Merseburg, da sie in Weissenfels und den Städten des Osterlandes ihr Standquartier hatten, und fielen auch in das Erfurtische, wo sie Tonndorf besetzten, und die Einwohner bestahlen, ja die Fische aus den Teichen raubten. Der Rath zu Erfurt schützte seine Stadt mit Wallbüchsen und Kanonen, als der Zug dieses Volkes in die Nähe kam. In der Stadt Gera erwürgten sie über fünftausend Menschen und verbrannten Schloß und Stadt.

Quellen: