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Hungersnoth und Sterben
In diesem Jahre war in Thüringen und andern Landen große Theurung, so, daß viele Leute Hungers starben, und in Dörfern, Flecken und auf Straßen todt niederfielen, und lange Zeit unbegraben lagen. Da galt ein Bissen Brot, wie eine welsche Nuß groß, drei Pfennig, wie noch alljährlich dieser Theurung zum Gedächtniß in Erfurt Brot in solcher Größe am Markustage gebacken, und Sparsbrot, oder Markusbrot genannt wird, und war dennoch kaum zu bekommen.
Am Markustage war das Korn erfroren, daher die Theurung und der Brotname. Und weil so viele Leichname unbegraben lagen, so ward die Luft vergiftet, und es starben an der pestilenzialischen Krankheit darauf noch viel mehr Leute, als zuvor Hungers gestorben waren. Die Seuche begann um die Aernte, währte bis zum heiligen Dreikönigtag, und war solchergestalt beschaffen, daß, wen sie befiel, drei Tage lang schlafen mußte, und wenn er aus dem Schlaf erwachte, rang er mit dem Tode, um auf immer einzuschlafen. Das nannte man das große Sterben.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung