<<< | Sagen aus Thüringens Vorzeit, den drei Gleichen, dem Schneekopf und dem thüringischen Henneberg | >>>

Der Thüringer Hussitenzüge

In Böhmen hatte Hussens Märtyrertod das Volk fanatisch entflammt. Ziska führte die Schaaren der Kelchner vom Siege zu Siege. Der Böhmenkönig Wenzel starb, als das Geschrei des Aufruhrs seinen Palast umtobte, vor Furcht und Zorn, und der Kaiser Sigismund, der schmählich dem Huß sein Kaiserwort des freien Geleits gebrochen, erbangte, als er sah, wie blutig die Costnitzer Scheiterhaufenflamme über sein Land leuchtete, und rief die Fürsten Deutschlands zu Hülfe gegen sein eignes Volk. Friedrich der Streitbare von Meißen und Thüringen, der mit stattlicher Pracht im Geleit von vielen Grafen und Edeln in Costnitz gewesen war, einer der tapfersten Fürsten, und sein Bruder Wilhelm, leisteten ihm wackern Beistand, und halfen Prag belagern im Jahr 1420, doch ohne sonderlich glücklichen Ausgang. Später gelang es ihnen, bei Brixen die Hussiten zurückzuschlagen, daß ihrer 2000 blieben, und viel Geschütz erobert wurde. In diesem Kriege war es, 1423, daß der Kaiser den Herrn des Thüringerlandes mit der Kurwürde von Sachsen belehnte, um seiner Redlichkeit, Festigkeit, Biederkeit und Vernunft Willen, und um seiner willigen, unverdrossenen, nützlichen und treuen Dienste, die er ihm und dem Reich gegen die böhmischen Kezer, wie man die glaubensfreudigen Hussiten nannte, geleistet. Im Jahr 1526 erhoben sich die Hussiten mit großer einträchtiger Heeresmacht, um das Meißner und Thüringer Volk aus ihrem Lande zu schlagen, zur Zeit, als gerade Kurfürst Friedrich von Meißen und der Landgraf von Thüringen, Friedrich der Einfache auf dem Fürstentag zu Nürnberg sich befanden. Und hat dieser Landgraf ein gutes Lob ob seiner Frömmigkeit und Einfachheit; Milde und Friedfertigkeit. Er erkaufte manchen Frieden mit räuberischen Nachbarn auf dem Eichsfelde und anderswo lieber mit Geld, als daß er sein Land und seine Leute mit großen Heerfahrten belästigt hätte. Da er in kinderloser Ehe lebte, so ließ er noch bei seinem Leben das ganze Thüringer Land den Kindern seines Vetters, Friedrich des Streitbaren, Erbhuldigung thun, und herrschte über Thüringen, so lange er lebte, in großem Frieden.

Als nun die Nachricht aus dem Böhmerlande von der Hussiten mächtigem Heereszug erscholl, bot die muthige Landgräfin Anna den Thüringer und Meißner Heerbann auf, und es sammelte sich in Freiberg gar eine stattliche Kriegsmacht von Grafen und Rittern, Bürgern und Bauern, auf 20,000 wohlgerüstete Mannen. Der Papst sandte einen Cardinal, der auch mitziehen sollte, und die Fürstin ermunterte das Heer durch eine kräftige Rede, indem sie sprach: bedenket die Gefahr des Landes, und erinnert euch auf diesen Zug, daß ihr für Gottes Sache, der Heimath Schuß, der Euren Wohlfahrt, für eurer Fürsten Ehre und des deutschen Namens Ruhm gegen einen wilden, listigen und zahlreichen Feind streitet; darum prüft sets eure Kraft, haltet guten Rath vor der That, meidet am Sonntag zu schlagen und duldet nicht Spieler und liederliches Gesindel unter euch, damit des Himmels Segen mit euern Waffen sei. Dann schied sie weinend von dem Volke. Als nun das deutsche Volk aus Meißen, Thüringen, Hessen, Buchonien, und vom Rhein in den Böhmer Wald kam, und bei Aussig die Hussiten in ihrer Wagenburg verschanzt fanden, griffen sie muthig, aber übereilt an, und es war eine Verrätherei angestellt, daß mitten in der Hitze des Gefechts einer Namens Busso Vißthum mit seiner Rotte die Flucht ergriff, indem die Böhmen einen Ausfall thaten, und schrieen: Fliehet! fliehet!. Es ist Leib und Gut verloren! so wurde das ganze Heer flüchtig, und im Mordgetümmel der Schlacht erstickten viele Mannen in ihren Panzern von großer Hitze und vom Staub, denn es war im Sommer, am St. Veitstag, den 15. des Brachmonds. Und die tapfern deutschen Ritter, die es für schimpflich erachteten, zu fliehen, wurden fast alle erschlagen.

Fünfhundert gekrönte Helme sanken, darunter zwölf Grafen und Ritter aus Thüringen, Graf Friedrich von Beichlingen, Erwin und Ernst von Gleichen, ein Graf von Schwarzburg, einer von Hohnstein, einer von Heldrungen, Heinrich von Erfa, Jacob von Wangenheim, Kerstan von Seebach, Kerstan von Witzleben, ein Herr von Querfurt, und unzählig viele andere ehrbare Mannschaft, und viele redliche Bürger aus den Städten in Thüringen. Vierhundert Bürger von Langensalza lagen todt um ihr ehrenhaft vertheidigtes Banner; Hans Welzig, Bürgermeister der Stadt Gotha, sank neben seinen Bürgern und dem Grafen von Gleichen mit seinem Leibspruch: „Mit Ehren!“ Es waren 12000 Streiter gefallen, so daß die Mannschaft dünne war in Dörfern und Städten, und sich das Volk in zwanzig Jahren kaum erholen konnte. Jammer und Entseßen kam mit der Nachricht dieser furchtbaren Niederlage über Thüringen. An Saale, Werra, Unstrut etc. wohnte kein edles Geschlecht, und war kein Ort, die nicht Todte zu beweinen gehabt hätten. Der Papst ordnete Glockenpulse an, des Morgens früh, dazu drei Ave Maria gesprochen werden sollten, und dieser Gebrauch des Anschlagens hat sich hernachmals bei den Türkeneinfällen wiederholt, und ist bis heute noch selbst in protestantischen Ländern geblieben. Zwischen Löplitz und Aussitz liegt ein Dorf, Preßlitz genannt, in dessen Nähe sind die Gräber der gefallenen Deutschen. Ein wilder Birnbaum steht dabei, der alle Jahre herrlich grünt und blüht, aber nimmer eine Frucht trägt; das ist ein Wahrzeichen.

Die siegreichen Böhmen aber nahmen unerhörte Rache, verheerten das Meißner Land, und hausten wo möglich noch ärger wie die Hunnen, schlugen auch 1427 ein neues deutsches Heer bei Mies aufs Haupt. Der tapfre Kurfürst Friedrich starb 1428, und im folgenden Jahr brachen die Böhmen wieder in das Land an der Elbe, heerten bis Magdeburg und schlugen bei Dresden den Thüringer Landgrafen, Friedrich, der Dresden zu Hülfe geeilt war, wobei wieder die edelsten Ritter fielen.

Ein Jahr später brachen sie mit 70000 Mann aus ihren Wäldern, verwüsteten das Meißner, Oster- und Vogtland, verbrannten die besten Städte: Altenburg, Plauen, Hof und zwölf andre, und verheerten auf diesem Zug, nachdem sie auch in Bayern eingefallen, hundert Städte und Burgen, und 1500 Dörfer. Ohne Glück und ohne Sieg wurde 1431 abermals ein Hussitenzug unternommen. Der Name des furchtbaren Prokop füllte das Heer mit Entsetzen, es floh, als es dem Feind ins Auge sah, überließ ihm 8000 Wagen mit Armatur und Geschossen, Pulver, und Proviant, und wurde verfolgt bis an Thüringens Grenze, wo vor Naumburg der gefürchtete Hussitenführer, der Sage nach, nur durch der unschuldigen Kinder Flehen sich erweichen ließ, die Stadt zu schonen.

Im Jahr 1438 zog Kaiser Albrecht vor Labor, und die Fürsten des Thüringer- und Meißnerlandes lagen mit ihm und ihrem Volk zwölf Wochen davor, mit gutem Frieden und unbestritten bei vieler Zufuhr aus den Städten; aber einen Sturm wagte der Kaiser nicht, und hob die Belagerung auf, und die Fürsten wandten sich zur Heimfahrt. Da sie nun nahe dem Böhmerwald waren, folgte ihnen ein großes Heer Böhmen, in der Absicht, sie aufzureiben. Als nun die Fürsten und das Heer zagten, sprach Graf Heinrich von Schwarzburg, ein mannlicher und weiser Herr: Fliehen wir allzusehr vor den Feinden, und kommen auf den Wald, so sind wir verloren. Lasset uns lieber an diesem Bach bleiben, und ihrer harren. Das war bei dem Städtchen Dur. Bald kamen ihnen die Böhmen nach, und gedachten, mit ihrer Wagenburg auch über den Graben zu setzen, aber der mannliche Graf von Schwarzburg ließ fröhlich aufposaunen und pfeiffen, und griff mit seinen guten Bogenschüßen an, sprengte mitten in die Wagenburg hinein, trieb die Feinde in die Flucht, fing und erschlug sie fast alle und gewann große Beute.

Quellen: