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Die Judenverfolgung
Als der schwarze Tod die Welt durchwüthete und verhältnißmäßig weniger Juden als Christen starben, fiel ein entsetzlicher Verdacht auf die erstern und brachte ihnen Weh und Noth. Bereits waren Judenverfolgungen nichts Neues. Emich, Graf von Leiningen, hatte zu Peter von Amiens Zeiten schon einen Kreuzzug gegen dieses Volk gepredigt und mit seiner Raubschaar gegen 900 derselben erschlagen und zu einer allgemeinen Wuth gegen die Juden das Zeichen gegeben. Aus dem Morgenland trugen heimkehrende Keuzfahrer die Sage nach Deutschland, daß die Juden an jedem Charfreitage zum Gedächtniß der ihren Vorfahren gelungenen Ermordung Christi heimlich ein Christenkind unter allen Martern der Kreuzigung schlachteten. Diese im Orient verbreitete Sage fand im Occident eben so willigen Glauben, als Bereitwilligkeit zu Haß und Rache. Im Jahr 1147 wurde ein fanatischer Mönch, Rudolph, in den Rhein- und Mainstädten zum Organ einer Judenverfolgung, die Laufenden derselben das Leben kostete. 1237 mußten die Juden mehr als ein vermißtes Kind mit Blut und Leben bezahlen, und 1298 kam ein Prophet, Namens Rindfleisch, der halb Deutschland in Harnisch gegen die Juden brachte, so daß ihrer wieder in die Tausende verbrannt wurden, oder sich selbst verbrannten. Im Jahr 1338 erregte einer, Namens Armleder, neuen verderblichen Judentumult in Franken. Kaiser Heinrich VII. hatte 1309 die Juden durch ein Edikt nur auf gewisse Freistädte beschränkt, daher auch die besten thüringischen Städte von ihnen wimmelten. Adel und Stadträthe schuldeten ihnen, sie rissen allen Handel an sich und trieben unerhörten Wucher.
Da entstand auf einmal das Geschrei, die Juden hätten die Brunnen vergiftet, daher komme die furchtbare Seuche, und wälzte sich lavinengleich von Stadt zu Stadt. Nun wurde den Juden durch Folterqual das Geständniß dieser schwarzen That erpreßt, worauf auch in ganz Thüringen ein Blutbad unter ihnen angerichtet wurde. In Erfurt, Gotha, Eisenach, Creuzburg, Arnstadt, Stadtilm, Nebra, Wiehe, Tennstädt, Herbsleben, Thomasbrück, Frankenhausen, Sondershausen, Weissensee u. a. D. fiel man über sie her, verbrannte und erschlug Tausende. In den Brunnen fand man auch Wahrzeichen und Säcklein mit Gift; wer diese hineingeworfen, wird Gott gesehen haben. In Erfurt allein kamen 9000 Juden um das Leben.1) Daselbst und in andern Städten geschah es, daß die Juden, um dem Tod von Christenhänden zu entgehen, sich mit ihren Angehörigen in ihren Häusern verrammelten, diese selbst anzündeten und sich mit ihren Schätzen und den Ihrigen selbst verbrannten, wodurch manchen Städten großer Brandschaden geschah und andre sich harte Bestrafung von ihren Oberherren zuzogen, so in Erfurt, Frankfurt, Nürnberg, Speier, Straßburg.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung