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Der schwarze Tod

Sei es in Folge des Erdbebens, wie Manche meinen, oder in Folge der verwesten Heuschrecken, oder sei es, daß aus dem Orient, dem Herd völkerverderblicher Seuchen, die furchtbare Pest kam, die man mit dem Namen des großen oder des schwarzen Todes bezeichnete, genug, sie brach im Jahr 1488 in ganz Europa aus, durch Schiffe, wie es verlautete, zuerst aus dem Morgenland gebracht und verbreitet. Ueber zwanzig Millionen Opfer sollen ihr in Asien gefallen sein. Vom südlichsten Ende Europas, von dem heitern Sicilien bis zum eisstarrenden Island wälzte diese Pest ihren verheerenden Gang und hielt drei bis vier schreckliche Jahre lang an. Es starben an manchen Orten sieben Zehntel, an andern zwei Drittel der Bewohner, mehr Junge als Alte, mehr Weiber und Mädchen, als Männer und Jünglinge.

Der schwarze Tod gab sich durch Drüsenanschwellungen in Eigröße kund, darauf folgten gelbe und schwarze Flecken an verschiedenen Körpertheilen, und am dritten Tage hatten die Befallenen ausgelitten. Kein Mittel half, jede Kunst der Aerzte scheiterte. Dreischneidig war des Todesengels Schwert, rothe Ruhr, Pest und wüthendes Feuer; jedes gleich ansteckend, so daß selbst Thiere todt hinsanken, die nur die Kleider eines Verstorbenen berührt. In Erfurt starben 12,000 Menschen, alle Kirchhöfe waren voll, man mußte noch außer der Stadt große Gruben machen, die Todten hineinzuwerfen. Da mußte sich Jedermann zum Sterben anschicken, denn auf Erden war ihm nichts so gewiß, als der Tod, und es meinten wohl Viele, der jüngste Lag sei nah, und der Welt Ende vor der Thüre. Viele sahe man mit Freudigkeit Abschied vom Leben nehmen, selbst junge Kinder starben unter Lachen und Händeklatschen. So sah ein zartes zwölfjähriges Mädchen, schon mit dem Tode ringend, mit lachenden Augen gen Himmel und frohlockte. Als nun die Eltern es befragten, worüber es sich also freudig bezeuge? so antwortete das Kind: Ei, sehet ihr nicht den Himmel offen stehen, und so viele unzählbare Lichter hinauffahren? Und da man weiter fragte: Was das für Lichter wären? sagte es: Das sind die Seelen der selig Sterbenden, und damit ihr seht, daß ich wahr rede, so sage ich euch, daß ich diese Nacht sterben werde; und meine liebe Mutter wird mir in drei Tagen folgen. So sagte das Kind auch noch andern Personen ihre Sterbezeit richtig vorher und fuhr in Frieden und fröhlich hin.

Seit den Tagen der Sündfluth mochte der Tod nicht so unzählige Opfer zu gleicher Zeit hinweggerafft haben. In drei Jahren starben allein aus dem barfüßer Orden 124,443 Brüder. Viele Menschen starben in Sünden hin, andre thaten Buße, große Wallfahrten, kreuzigten ihr Fleisch und geiBelten sich blutig. Viele wallten nach Rom zum großen Jubeljahr, Wenige kehrten zurück, Viele schlossen sich den Geißelfahrern an. In dieser Zeit malte man auf Kirchhof- und Brückenmauern Todtentänze, weil alles ohne Unterschied Alters und Geschlechts, Ranges und Standes an den letzten Kehraus mußte; damals ist auch Eulenspiegel zu Möllen gestorben.

Quellen: