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Georgs Pannier
Es war zur Zeit, als Ludwig V., Landgraf von Thüringen, genannt der Milde, und Kaiser Friedrich Barbarossa mit vielen Fürsten zum zweitenmale eine Fahrt über Meer zu thun gedachten, um aus der Saracenen Hand das heilige Grab zu gewinnen, auf daß fernerhin ungehindert und ungeschädigt durch die Heiden jeder fromme, christliche Pilgrimm sich den Stätten nahen möge, wo einst der Heiland der Welt gelebt und gelitten. Des Rothbarts Aufruf folgte auch Ludwig der Milde, gleich vielen andern Fürsten, und schaarte um sich seine Lehenträger und Vasallen. Da geschahe es, daß ein großes Wunder sich ereignete, denn um des edlen Fürsten Tugend und guter Werke Willen sandte Gott vom Himmel herab das Panner des heiligen Georg, der den Drachen ertödtet, und der Schutzheilige der Kreuzritter, wie auch der Stadt Eisenach war; unter diesem Panner kämpfte Ludwig der Milde gegen die Ungläubigen vor dem Kaiser vor, und siegte. Und als der Barbarossa aus dem Morgenlande nicht zurückgekehrt, und auch Ludwig auf Cypern verschieden war, brachten heimkehrende Ritter das Panner Georgs zurück, wo es auf Schloß Wartburg bewahrt wurde. Lange Zeit nachher aber wurde dieß Pannier nach Tharant, einem Schloß in Meißen, gebracht. Und als dieses Haus in Flammen aufging, sahen viele Leute mitten durch die Flammen das Pannier durch ein Fenster in die Luft auffahren, und Niemand sah es wieder und wußte, wohin es gekommen.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung, Band III S. 50/51