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Hunneneinfälle und Hunnenschlachten

Arnulph, ein tapferer Herzog von Kärnthen, war durch des Volkes und der Edlen Wahl zum deutschen König ausgerufen worden. Er zog gegen die Normannen und trieb sie siegreich zurück; gegen die aufs Neu empörten Mähren rief er den asiatischen Volksstamm der Madscharen zu Hülfe, welche die Slaven Ungern (Fremdlinge) nannten. Nicht ohne große Verluste bändigte er die Slaven, starb zu früh für Deutschland und hinterließ sein Reich seinem fünfjährigen Sohne Ludwig, das Kind genannt. Damals war Deutschland rings von mächtigen Feinden bedroht und durch innere Unruhen und Zwiespalte zerrissen; einer derselben war die Babenberger Fehde, wo der Verrath des Mainzer Erzbischofs Hatto diesem Namen ein Brandmahl aufdrückte für alle Zeiten. Das wilde und kriegerische Volk der Hunnen war nach dem Siege über die Slaven in seine Heimath zurückgekehrt, hatte diese von andern Raubhorden verwüstet gefunden und gedachte nun der lachenden Fluren und fetten Weiden Deutschlands. In ungeheuren Schaaren strömten sie bald dem Westen wieder zu, eroberten ein Land um das andere, sezten sich in dem heutigen, nach ihnen so genannten Ungarlande fest und drängten immer weiter vorwärts, besiegten die Slavischen Volksstämme und brachen mit mächtigen Heerhaufen in Baiern, Franken und Thüringen zugleich ein, wo sie mit unerhörter Grausamkeit hausten und wütheten.

Zwar ließ der deutsche König Kriegsvolk aufbieten, so viel er konnte, und es sammelten sich die Heerbanne aus Baiern, Franken, Thüringen, Sachsen, dem Vogtland, Schwaben, Hessen, Rheinland, dem Nordgau, Steiermark, Kärnthen und andern Gauen, und zogen gegen die Feinde, vermochten aber nichts gegen deren Schnelligkeit zu Roß, deren Gewandheit, Muth und Wuth. Der Markgraf Leupold von Oesterreich ward mit neunzehn bayerischen Edeln und einer zahllosen Menge Volks an der Ems erschlagen, ganz Bayern wurde verwüstet. Dann zog das wüthende Hunnenheer den Böhmer Wald herauf, brach in den Nordgau, in das Franken- und Vogtland, und auch der Frankenherzog Gebhard, der sich ihnen entgegenstellte, ward erschlagen. Hierauf brauste der Hunnenschwarm nach Chüringen, da that Herzog Burkardt zu Thüringen und Hessen Botschaft um Hülfe und Beistand zu den Herzogen zu Sachsen, Oestreich, Bayern, Schwaben und Franken, die kamen ihm mit aller ihrer noch übrigen Macht zu Hülfe. Und als die Ungarn in Hessen und Buchonien einfallen wollten und gegen Fulda zogen, zog Herzog Burkardt mit den Thüringern und acht Pannern ihnen entgegen und stritt mit ihnen bei Eifenach. Da wurden ihrer unmäßig viele erschlagen, aber auch viele Tausende der Christen kamen um. Und auch der Herzog, als er ritterlich für sein Vaterland stritt, fiel im Kampf, viele Helden mit ihm, das vereinte Heer wurde auseinandergetrieben, und die Hunnen hausten in Thüringen, Sachsen und auf dem Harz mit schrecklichem Wüthen.

Da fiel Furcht und Schrecken auf die Völker, und schon die Nennung dieser furchtbaren Feinde machte die stärksten Herzen erzittern. An einen Widerstand war nicht mehr zu denken, nur in der Flucht lag noch eine Hoffnung auf Rettung. Frauen und Jungfrauen knüpften die Feinde mit den Köpfen aneinander und trieben sie vor sich her; die Männer und alles, was wehrhaft war, erschlugen sie und tranken ihr Blut, schnitten ihnen die Herzen aus den Leibern und fraßen sie roh an Tafeln, die sie aus der Erschlagenen Körpern gebildet. Kinder erwürgten sie vorm Angesicht der Aeltern, zerhackten sie oder zerschmetterten sie an Mauern und Felsen. So überaus unmenschlich gingen sie mit den Leuten um, daß jedermann erschrack, wenn man nur der wilden Heunen gedachte, und diejenigen vom Landvolk, die ihrer keine ansichtig wurden, meinten, jene Menschenfresser seien ungeheure Riesen. Daher verzagte Alles und die sonst so tapfern und streitbaren Völker: Thüringer, Franken, Schwaben und Sachsen, die so oft gesiegt, waren durch Gottes Verhängniß zaghaft und kleinmüthig vor ihnen.

So kam es dahin, daß die Hunnen immer siegreicher und dadurch übermüthiger wurden und daß nach mancher verlornen Schlacht sich der deutsche König zu schimpflichem Tribut an sie verstehen mußte. Und dieß that sowohl König Ludwig, als auch sein Nachfolger König Conrad, um nur die deutschen Lande nicht gänzlich verheeren und verderben zu lassen. Darnach, nach Conrads Tode, füreten die deutschen Fürsten den Herzog Heinrich zu Sachsen und Thüringen, den man hernach den Finkler oder Vogelsteller nannte, weil die Gesandten, die ihm die Wahl verkünden sollten, ihn auf dem Vogelheerd antrafen, zum deutschen Kaiser.

Dieser schloß zuerst nach einem neuen verheerenden Einfall der Hunnen einen neunjährigen Frieden mit ihnen, stärkte sich dann immer mehr, baute Burgen und befestigte die Städte, führte gegen die Sorben und Wenden siegreiche Kriege, harrte des Tages, wo der Vertrag mit den Hunnen endete, und sagte ihnen, als dieser heran nahte, den Tribut auf. Eines neuen Einfalles gewärtig, schrieb er einen Reichstag aus und ermahnte Reich, Fürsten und Volk zur Eintracht und tapfern Gegenwehr, die ihm auch zugesagt wurde. Nicht lange darauf kam eine trotzige Gesandtschaft der Ungarn an und heischte neuen Tribut und dessen Fortsetzung, außerdem sie den Krieg gleich anzukündigen beauftragt sei. Da ließ Kaiser Heinrich einem alten, ausgehungerten, schäbigen Hund Schwanz und Ohren abhauen und fandte ihn den Hunnischen Legaten mit dem Bescheid: Hier ist euer Tribut, wollt ihr andern, so kommt und holt ihn. Darauf erhoben sich die Hunnen mit der furchtbarsten Macht und rückten heran mit einem Heer von dreimalhunderttausend Mann zu Fuß und zu Roß, gebildet aus Ungern, Scythen, Slaven, Finnen, Reußen und Preußen, Polen und Böhmen, wollten auch die Sorben und Wenden wieder zu ihrem Beistand zwingen; diese aber kannten Heinrichs Macht, fürchteten seine Rache, wenn sie abfielen, und sandten trotzig einen fetten Hund, mit dem Entbieten, die Hunnen möchten sich an diesem Zins erholen, wenn der magre des Kaisers ihnen zu gering gedeucht.

Aufs Höchste erbittert, zogen nun die Hunnenschaaren, in zwei große Heerhaufen getheilt, heran; einer durch Thüringen bis in die güldne Aue, welcher das Schloß Jechaburg umzingelte; der andre gen Merseburg, das er einen ganzen Tag, doch fruchtlos, bestürmte. Da fiel auf jenen der thüringische Heerbann mit aller Macht und erschlug ihrer unmaßen viel, und gegen den andern Haufen zog Kaiser Heinrich heran, ordnete seine Heere, ritt durch ihre Reihen, ermahnte alles mit männlichen und frommen Worten; hoch ward das Hauptpanner mit dem Bilde St. Michaels erhoben. Hui! Hui! schrien die Hunnen und prallten an; Kyrie eleison! schrien die Christen und drangen in keilförmiger Schlachtordnung ein. Am Eichholz entbrannte die Schlacht, und es wurden in ihr vierzigtausend Hunnen erschlagen, die Uebrigen enteilten in wilder Flucht nach Bernburg zu, wo noch unzählig viele erschlagen und gefangen wurden; auch fiel das ganze feindliche Lager mit unermeßlicher Beute in die Hände der Sieger, und viele Christen, welche die Hunnen gefangen gehalten, fanden ihre Erlösung. Die besten Hauptleute der Feinde fanden ihren Tod, das Volk aber, was dem Tode in der Schlacht und der Gefangenschaft entrann, kam theils in Sümpfen um, theils starb es Hungers in Feldern und Wäldern, und ganz Deutschland frohlockte über den Sieg, den Gott in Thüringen verliehen hatte. Niemals kamen die Hunnen wieder.

Bei Merseburg ward später aus dieser Zeit ein heidnisch Grab mit wunderlicher Zierrath und Kriegsgeräthschaft gefunden, darin ein Hunnenanführer bestattet sein soll, und wird im Schloßgarten dort noch heute gezeigt.

Quellen: