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Die Schätze des Wartbergs

Hoch über alle Nachbarberge ragt der weit. berufene große Wart- oder Marktberg empor. Seltene Pflanzen wachsen auf ihm, und von den Schätzen in seinem Schooß gehen viele wunderbare Sagen. Manchen alten Stollen erblickt man, andere sind versetzt und verzaubert, daß keiner sie finden kann, er komme denn entweder zur glücklichen Stunde, oder habe die Zaubermittel in Händen, durch deren Kraft der Schooß der Erde sich öffnen muß.

Eine große Höhle ist an der Nordwestseite des Berges, dem Hörseelleche recht gegenüber, das Backofenloch genannt, glißernder Tropfstein hängt in dem feuchten Bergesgang, und hinten, wo er fich verengt, daß man nur kriechend ihn verfolgen kann, findet sich ein lichtbrauner Sand, dem sonst gar eifrig die Venetianer nachstrebten. Wunderliche Felszacken krönen den Bergscheitel, die Höhle ruht am steilen Abhang und ist ohne Führer kaum zu finden. Wunderblumen blühen am goldnen Sonntag auf dem Wartberg, Schätze steigen dann aus seinen Tiefen heraus und stehen, geprägt oder ungeprägt, offen vor dem glücklichen Finder. Einst ging ein Bergmann am genannten Lag auf diesem Berg spaßiren und kam an eine große Meilerstätte, darauf stand ganz einsam eine herrliche Blume, wie er noch niemals eine gesehen. Rasch pflückte er sie und steckte sie auf seine Müße. Wie er sich umsieht, ist die Gegend um ihn her verwandelt, er steht vor einem glänzenden Schloß mit offenen Pforten, und geht hinein. Drinnen ist alles voll Pracht und Glanz, und in einem herrlichen Saal sitzt ein kleines graues Männchen hinter einem Tisch und zählt Geld aus vollem Kasten. Das Männchen nickt dem Bergmann zu und sagt: Nimm Dir, so viel Du willst, vergiß aber den Schlüssel nicht. Da griff, dieser kecklich zu, füllte die Taschen, und als diese gefüllt waren, auch den Hut; darüber fiel die Blume herunter, und der Bergmann achtete ihrer nicht, weil er Hut und Hände voll Gold hatte.

Noch einmal rief unruhig das graue Männchen: Vergiß den Schlüssel nicht! Aber die thörigte Habsucht verstand ihn nicht; ohne auf den warnenden Zuruf zu hören, entfernte sich der Finder. Der Berggeist schritt ihm nach und rief zum dritten Mal ganz zornig: Vergiß den Schlüssel nicht! Aber jener hatte schon den Fuß aus dem Zauberbergpalast gesett, und alles verschwand, er stand wieder auf der schwarzen Meilerstätte. Da hörte er eine Stimme rufen: Hättest Du die Blume nicht vergessen, denn die war der Schlüssel, so konntest Du wiederkommen, so oft Du gewollt!

Doch der Bergmann war zufrieden mit dem, was er nehmen gedurft, und lebte glücklich, er war reich genug durch den gewonnenen Schatz.

Quellen: