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Jungfrauen kommen zum Tanz
Ueber dem Dorfe Mosbach liegt eine große Felsenreihe, der Hanstein genannt, an dessen Fuß eine Quelle hervorsprudelt. Einst hatten sie in Mosbach zur Vollmondzeit Kirmes, es war, wie immer, im Monat September, und unter andern Gästen stellten sich auch zwei fremde Jungfrauen ein, die Niemand kannte, aber Jedermann bald lieb gewann. Alles freute sich auf sie, wenn der Tanz begann, und wenn sie kamen, obgleich keiner wußte, her sie kamen. Immer aber waren sie hinweg, wenn die zwölfte Stunde schlug. Einmal jedoch verspäteten sie sich und sagten traurig zu denen, die um sie waren: Nun werdet ihr uns wohl nicht wieder sehen, da ihr uns länger gehalten habt, als uns erlaubt war, denn menschenfeindlich und grausam sind unsere Gebieter. Folgt uns nach, und seht ihr die Quelle am Hanstein gefärbt, so haben wir für unsere Lust gebüßt. Es eilten die Mädchen darauf weinend aus dem Kreis der Fröhlichen; mancher ging ihnen nach und sah, wie sie in die Felsenwand hinein schwanden. Kaum waren sie dem Auge der Begleiter unsichtbar geworden, und diese bei der Quelle angelangt, als das Wasser blutroth dem Fels entquoll, und nie hat man die räthselhaften Jungfrauen wieder gesehen.
Quelle:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung