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Der Rabenbrunnen

Ein Förster in der Ruhl hatte eine wunderschöne Tochter, in die sich ein Jüngling sterblich verliebte, und auch von ihr geliebt wurde. Verhältnisse nöthigten ihn, seine Heimath zu verlassen, und ein Zufall wollte, daß in die Ruhl die Nachricht seines Todes kam. Indessen hielt ein Anderer um die Försterstochter an, und sie hielt mit ihm ihre Verlobung. Da kam der früher Geliebte zurück und hörte verzweifelnd die Schreckensbotschaft, und die Gedanken der Rache erfaßten ihn; er ging zu einer alten weisen Frau, sich Raths zu erholen. Das böse Weib rieth ihm, zu einem Schlosser zu gehen, ein Schloß zu fordern und zu fragen, was es koste, dazu für sich zu sagen: In Gottes Namen! es dann ungehandelt zu bezahlen. Bei der Trauung solle er dann in die Kirche gehen, und wenn der Pfarrer die Verlobten zusammengebe, das Schloß zuschnappen und dazu sagen: In's Teufels Namen! Hierauf das Schloß in einen Brunnen werfen. Dieß alles that der bethörte Jüngling, und alsbald erfaßte die Neuvermählten eine unerklärliche Abneigung gegen einander. Sie konnten einander nicht freundlich mehr ansehen, und wenn sie fern von einander waren, fühlten sie doch eine Sehnsucht, sich nahe zu sein. So quälten sie sich beide hin. Als der grausame junge Mann das tiefe Elend sah in das sein Zauberstück jene gestürzt, bereute er seine That, ging wieder zu der Alten hin und fragte, ob sie nicht helfen könne. Ja, war ihre Antwort, wenn wir nur das Schloß wieder hätten. Aber vergebens suchte er das Schloß, der Brunnen ist allzutief, und seine Uebelthat allzugroß. Einige meinen auch, es habe eine feindliche Wasserfrau in dem Brunnen gewohnt, die habe das Schloß fest gehalten. Das ist es, was man sich von dem Rabenbrunnen in der Ruhl erzählt.

Quellen: