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Der Tolljungferstein
Bei Ruhla ist ein Felsen, heißt der Colljungferstein, er liegt über dem Forsthaus, an der Pfarrhecke, nahe am Goldbrunnen; von dem trägt sich das Volk mit der Sage, daß eine Jungfrau in ihn verwünscht sei, die sich dann und wann sehen lasse; sie hat am Gürtel einen großen Bund Schlüssel, und läßt sich gar traurig an. Schloßschleierweiß ist ihr Gewand, so steht sie lange auf dem Stein, dann steigt sie von ihm herab und wandelt im tiefen Schweigen um den Fels. Hernach aber macht sie mit den Schlüsseln ein lautes Gerassel, wobei sie sich anstellt wie unsinnig; davon hat der Stein seinen Namen. Hat sie so eine Zeitlang ihr tolles Wesen getrieben, so schwindet sie wieder in den Stein hinein. Darum ist in der Ruhl das Sprichwort entstanden, wenn sich einer ungebehrdig und unbändig hat: Er gebehrdet sich wie die tolle Jungfer.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung