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Von einem Incubus
Es ist in der Ruhl eine gemeine Sage, daß sich das Alp den Leuten bisweilen in Gestalt eines kleinen leichten Steinchens oder einer noch leichtern Feder zeigt, und so zu dem Schlüsselloch ins Zimmer kommt, wo es dann auf den Schlafenden fällt und immer größer und schwerer wird. Das Alp aber ist nichts anders, als eine Person, die dem Schlummernden zu Liebe oder zu Leid naht und ihn nächtlich quält; wer sie kennen lernen will, muß daher rasch auf sein und das Schlüsselloch verstopfen. So kam auch einmal zu Einem das Alp, und der probirte das Mittel. Da saß das Alp sichtbar auf seinem Bette, konnte nicht von dannen, hatte einen feinen weißen Schleier um und war ein sehr schönes Frauenzimmer. Das gefiel ihm wohl, und er behielt sie bei sich und lebte mit ihr als einer Frau; doch lachte sie niemals und bat nur stets, das Schlüsselloch wieder zu eröffnen, was er aber nicht that. Einstmals aber wollte er doch sehen, wo das hinaus wolle, und räumte die Verstopfung hinweg, da wurde die holde Frauengestalt kleiner und immer kleiner, und endlich zu einer leichten Feder, nach der er vergebens haschte, und zog durch das Schlüsselloch von dannen. Wer das nicht glauben will, sagen, die Rühler: der g'lekker's.1)
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung