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Das Kind am Falkenstein

Eine arme Frau stieg einst hoch am Falkenstein hinauf, Waldgras einzusammeln und mancherlei Kräuter, die nur an solchen selten betretenen Stellen wachsen und blühn. Sie hatte ihr ganz kleines Kind bei sich, und setzte dieses, da es ihr bei der Arbeit hinderlich war, an eine sichere Stelle, hieß es allda ruhig bleiben und mit den Steinchen spielen, die umher lagen; sie selbst ging hierauf ihrer Arbeit nach. Das Kind spielte eine Zeit lang, und es wurde ihm die Zeit lang, es rutschte weiter und immer weiter vor bis an den jähen Felsenabhang. Und auf einmal war es der Mutter, als höre sie einen Schrei. Es fiel ihr centnerschwer auf's Herz, rasch ließ sie Korb und Sichel und eilte nach der Stelle, wo sie ihr Kind gelassen, da war es nicht mehr dort und war den steilen Fels hinuntergefallen. Auf einem großen Umweg und außer sich vor Angst und Schreck eilte nun die arme Frau in die Thaltiefe, wo sie gewiß war, ihr Kind zerschmettert, blutend und tot zu finden. Wie sie aber hinunter kam an den Fuß des mehr als thurmhohen Falkensteins, so saß ihr Kindlein ruhig dort und spielte mit drei rothen Nelken, wie sie oben auf dem Felsengipfel blühen. Die Engel hatten das Kind behütet.

Quellen: