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Der Zigeunerweg
Bei Georgenthal geht waldhinan ein lieblicher Fußpfad, den sie im Dorf den Zigeunerweg nennen. Immer und immer nur diesen Weg kamen sonst, da man sie noch in dasiger Gegend duldete, die braunen Horten des räthselhaften Volks gezogen, oft auch zogen sie denselben zurück. Am Ende des Pfades geht eine Höhle in den Berg. Sie kamen und schwanden, keiner wußte, woher und wohin? Es war, als wenn der nahe Wald die Fremdlinge hervorwachsen ließe, und noch nicht alte Leute haben in ihren Jugendtagen ihrer viele gesehen. Jetzt kommen keine mehr, nicht mehr schallt Triangel und Castagnette zum Tanz, nicht mehr blickt mit klugem, glühendem, dunkeln Auge manche listige Prophetin in die Hand des gläubigen Dorfbewohners, und das Volk, von dem man nie recht wußte, wo es hergekommen, schwindet hinweg, man wird auch nie recht wissen, wie es verschollen. Aber noch lange werden die Alten den Jungen von Zigeunern erzählen, ihnen bei Georgenthal den Weg zeigen, den diese gewandelt, und die Erinnerung an sie wird als Sage fortleben in den spätern Zeiten.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung