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Wie Reinhardsbrunn erbaut wurde
Als Graf Ludwig der Springer wieder in sein Land gekommen war, suchte er hin und her nach einer bequemen Stätte, die sich zum Bau eines Klosters eigne. Nun hatte nicht weit von der Schauenburg und von Friedrichrode, in dem Thal, durch das man ziehen mußte, wenn man von dort gen Gotha oder Eisenach wollte, ein Töpfer seine Wohnung, welcher Reinhard hieß. Dessen Haus war nahe an einem starkausfließenden Brunnen gelegen.
Es begab sich aber, daß seit einiger Zeit dieser Töpfer jede Nacht an einer gewissen Stelle in der Nähe des Brunnens zwei Lichter mit hellem Kerzenglanze brennen sah. Darüber verwunderte er sich über die Maßen; wenn er hin zu diesen wunderbaren Lichtern ging, so sah er sie nicht mehr und fand keine Spur von ihnen, entfernte er sich aber von der Stelle, so erschienen sie wieder. Dieses erzählte der Töpfer vielen Leuten, die sich im Wald beschäftigten und zeigte ihnen die räthselhafte Erscheinung. Bald ward auch dem Grafen von dem Wunder gesagt und da er eines Tages von der Schauenburg nach Wartburg reiten wollte, hielt er sein Roß bei des Töpfers Haus an und erkundigte sich näher nach der Sache. Offen erzählte ihm Reinhard, was er gesehen, und auch der Landgraf sah, als es Nacht geworden war, die seltsamen Flämmchen leuchten, eines an der Stätte, wo das alte Kloster lag, das andere da, wo St. Johannes Kapelle hin erbaut wurde. Der Graf dachte sehr ernst über diese Erscheinung nach. Es fiel ihm ein, wie sehr er sich bekümmert und weit umher gesonnen, wohin er wohl das Kloster bauen solle und keine recht gelegene Stätte in seinen Gedanken gefunden habe und ob nicht Gott selbst diese Stelle möge erwählt haben? In diesem Glauben sich selbst bestärkend, ließ er alsbald die Stätte räumen, die Bäume fällen und sandte zu dem Freund, dem Bischof von Halberstadt, auch dessen Meinung zu vernehmen, der des Grafen Ansicht bestätigte. So entstand das Kloster, welches nach dem Namen des armen Töpfers, der am Brunnen wohnte, Reinhardsbrunn genannt wurde. Dann begab sich der Graf selbst hinein als ein büßender Mönch, nachdem er noch zuvor das Haus Schauenburg mit allen Zugehörungen dem Kloster Reinhardsbrunn geschenkt hatte.
Frau Adelheid aber zog nach Oldisleben, ihrem Leibgedinge vom ersten Mann und verwandelte die Burg Scheiplitz, wo sie mit Pfalzgraf Friedrich gelebt hatte, in ein Jungfrauenkloster, welches sie reich begabte und dessen erste Aebtissin sie wurde. So lebten die beiden Gatten, die eine sündige, heftige Leidenschaft und eine blutige That vereinigt hatten, in freiwilliger Scheidung und in einem büßenden, bereuenden Leben bis an das Ende ihrer Tage. Und als im Jahr eintausend und sechsundneunzig der Gründer des Klosters, der ehemalige Graf, und nun ein frommer Benediktinermönch, im dreiundsiebzigsten Jahre seines Lebens starb, wurde er hinter dem Hochaltar begraben, und es kamen seine Kinder mit vielen Grafen, Rittern und Freien, und hielten ihm ein fürstlliches Begängniß.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung, Band I S. 182-184