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Von einer weißen Frau
Das alte Katharinenkloster zu Eisenach war nicht mehr, seine noch nußbaren Gebäude waren in ein Waisenhaus verwandelt, darinnen wurde die Gestalt einer weisen Frau gesehen, darum, weil ein überaus großer Schatz in den Gärten des ehemaligen Klosters liegt, der noch erlöst werden muß.
Alle sieben Jahre erscheint die weiße Frau in Nonnentracht, bald steht sie da, bald steht sie dort, ihre Hände sind zum Gebet auf die Brust erhoben, dann erseufzt sie dreimal tief, als trüge sie auf ihrem Herzen eine schwere Centnerlast, und schreitet langsam von dannen. In den Gärten verliert sie sich und kommt weg, keiner weiß wohin. Alt und jung haben sie gesehen. Als das alte Waisenhaus noch bestand, war wegen ihr große Furcht und Schrecken darin. Der alte Waisen-Inspector Limprecht, der auch ein Büchlein über das lebende und schwebende Eisenach geschrieben, berichtet das von, daß sie kurz zuvor, ehe er in das Waisenhaus gekommen, erschienen sei; er aber habe nun gegen sechs Jahre nichts von ihr gehört und gesehen. Ob er sie aber im siebenten Jahre nicht auch gesehen, weiß man nicht.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung,