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Die geistliche Comödie und von des freudigen Landgrafen Ende
Landgraf Friedrich hatte alle seine Feinde überwunden und seine großen Kriege in Thüringen, Meißen und dem Osterland zu einem guten Ende gebracht, so daß er in allen seinen Landen keinen krieg mehr hatte, sondern es war überall Friede geworden. Daher wurden in dem Jahre, als man Eintausend dreihundert und zweiundzwanzig schrieb, die Leute alle gar froh, sowohl auf dem Lande, als in den Städten, und ergötzten sich nach so langem Ungemach, das sie durch den Krieg erlitten hatten. So machten die von Eisenach am Abend vor Misericordiuas1), da sich der Prediger-Ablaß anhob, ein schönes Spiel auf der Rolle zwischen St. Görgen und dem Barfüßerkloster, von den fünf klugen und fünf thörigten Jungfrauen, nach dem Evangelium, wie es Christus der Herr gepredigt. Da war auch Landgraf Friedrich der Freudige gegenwärtig, sah und hörte das Schauspiel an. Wie nun aber die fünf thörigten Jungfrauen sich also säumig zeigten, daß ihre Lampen erloschen und nun aus dem ewigen Leben von Gott verstoßen werden sollten und Maria mit allen Heiligen für sie bat, das alles aber nichts half und Gottes Gericht nicht ändern konnte, da überfiel ein trostloser Zweifel den edlen Landgrafen und er ward von großem Zorne so mächtig bewegt, daß er laut rief: Was ist dann der Christen Glaube, wenn sich Gott bei Mariens und aller Heiligen Bitten nicht über uns erbarmen will? – Verließ deßhalb sogleich in seinem Zorn das Haus und ging hinauf auf die Wartburg und blieb so zornig fünf Tage lang, daß ihn die Gelehrten kaum besänftigen und ihm das Evangelium ausdeuten konnten. Und am sechsten Tage rührte ihn in Folge seiner großen Kümmerniß und zornigen Aufreizung seines edeln und tapfern Gemüthes der Schlag an einer Seite und lähmte ihm zugleich die Sprache, daß man ihn schwer verstand. Tief- und trübsinnig lebte er noch bis ins vierte Jahr, dann erlöste ihn Gott, als er siebenundsechzig Jahre alt war. In der St. Johanneskapelle im Katharinenkloster ruhen seine Gebeine.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung, Band I S. 111/112