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Die Zauberkünstler in tausend Aengsten

  Cl. König, im N. Lauf. Mag. 1886. G. 74. 75. 
  Gräße II. S. 145 ff.

Einst hatten drei Burschen aus Neukirch, der Lieb, der Lob und der Ehregott, beschlossen, den großen Schatz auf dem Valtenberge zu heben. Hatte doch der Lieb ein altes Zauberbuch entdeckt, das seit undenklichen Zeiten auf dem Boden in einem Winkel gelegen. Eines Abends, als die Burschen beisammen waren und das Werk besprachen, holte Lieb das geheimnisvolle Buch herbei. Als er es in die Stube brachte, rochen alle sogleich den unheimlichen Modergeruch, den das schwarze Buch ausströmte. Lieb schlug es auf. Große schwarze und blaue und rote Buchstaben standen darin und waren sehr schwer zu lesen.

Als der Zeiger zwölf geschlagen und die Geisterstunde begonnen, da fing Lieb an Wort für Wort laut zu lesen. Es dauerte nicht lange, da entstand ein sonderbares Geräusch in der Ofenpfanne. Ihr Deckel hob sich auf und heraus sprang ein kohlschwarzer Ziegenbock, welcher anfing, sich auf die Hinterbeine zu erheben und nach seinem Schatten an der Wand zu stoßen. Da sagte Lob: „Höre auf, Lieb; der Zauber ist richtig. Morgen gehts auf den Berg, und die Braupfanne ist unser.“

Ehregott dagegen winkte weiter zu lesen, und Lieb war einmal im Eifer und las immer lauter und schneller. Da that sich der Deckel der kupfernen Pfanne von neuem auf und heraus kam allerlei unheimliches Getier, welches die ganze Stube bald anfüllte. Schwerfällige Eulen, krächzende Krähen, plappernde Elstern, schwirrende Fledermäuse, meckernde Böcke und viel unbekanntes Getier mit langen Schwänzen, frummen Hörnern und sonderlichen Köpfen, alles schrie durcheinander und gebärdete sich so erschrecklich, daß den drei Burschen angst und bang wurde. Lob und Ehregott schrieen: „Um Gottes willen, Lieb, hör auf!„ Dem Lieb stand vor Angst der Schweiß auf der Stirn; er wollte aufhören und die unheimlichen Gäste, die immer größer wurden, los werden; aber es ging nicht, denn weder Lieb, noch Lob, noch Ehregott konnten rückwärts lesen.

Da erinnerte sich Lieb zum Glück an den Pfarrer (Klunge). Mit dem Ausrufe: „Bleibt hier, ich werde sogleich Hilfe schaffen!“ sprang er zum Fenster hinaus und rannte auf die Pfarre. - Der Herr Pfarrer saß noch vor seinen großen Büchern und studierte fleißig, als Lieb hastig eintrat und ganz außer Atem um Hilfe bat. „Still,“ sagte der Pfarrer, „ich weiß schon, was geschehen. Bereits eine Viertelstunde habe ich auf Dich gewartet. Jetzt komm, wir wollen dem Spuk zeigen, daß wir Gewalt über ihn haben.“

Lob und Ehregott fühlten sich schon erlöst, als der Herr Pastor in die Stube trat.

„Gott sei Dank! Noch ist es Zeit!“ So sprach der Pfarrer, und damit nahm er das Buch in die Hand, schlug ein Kreuz darüber, und nun begann er laut und vernehmlich die Zauberformel rückwärts zu lesen. Das Getier war außer sich vor Zorn und verübte einen greulichen Kampf und Lärm. Aber das wilde Widerstreben nützte nichts; denn in derselben Reihenfolge, wie das Getier gekommen, kroch es wieder in die Ofenpfanne hinein und verschwand, indem es zur Esse hinausfuhr. Das Werk war gethan, als die Glocke eins schlug. „Danket Gott,“ sprach der Herr Pastor, „denn wäre jetzt noch eins der Höllentiere im Zimmer, so würde der Teufel kommen und Euch allen den Hals umdrehen.“ Nachdem sie der Pastor noch tüchtig abgekanzelt hatte, ließ er sich von ihnen versprechen, daß sie nie wieder mit ähnlichen Dingen sich beschäftigen wollten. Und so liegt die Braupfanne Goldes noch immer im Valtenberge.

Quelle: Sagenbuch der Sächsischen Schweiz; Herausgegeben von Alfred Meiche, Leipzig 1894, Verlag von Bernhard Franke