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Der Müller und der Zwerg
Ludloff thür. Sagen und Volksmärchen S. 5 ff.
Zu Sondershausen lebte vor vielen Jahren ein Müller, Namens Lau, der die Wippermühle vor der Stadt im Pacht hatte. Dieser Müller hatte eine furchtbare Stärke und Kraft, war ein Mann von wenig Worten, doch treu und wahr. Er hatte unter König Friedrich Wilhelm I. unter der grossen Potsdamer Garde gestanden. Dieser holte wie die andern Müller der umliegenden Gegend seine Mühlsteine auf dem Kyffhäuser. Dabei ist ihm einmal folgende Geschichte passirt, die er selbst erzählt hat.
„Ich bin doch schon oft,„ pflegte er zu sagen, „auf dem Kyffhäuser gewesen, habe mir Mühlsteine geholt, und nie ist mir daselbst etwas Absonderliches begegnet, obgleich der Teufel sein Spiel da treiben soll. In der vorigen Woche aber ging es mir sonderbar und schlecht genug und ich kann noch jest nicht begreifen, was für ein Kobold mich in der Arbeit gehabt haben mag. Ich fuhr mit meinem Knappen nach dem Kyffhäuser, einen Mühlstein zu holen; ich selbst gehe den Fusssteig und lasse den Knappen den Rennweg fahren und mir nachkommen. Als ich oben bin, gehe ich nach dem alten Thurme, sehe der untergehenden Sonne nach und ergösse mich an der schönen Aussicht. Da kommt auf einmal wie aus der Erde gezaubert ein dicker, stämmiger Junge in einer Bergmannsjacke hinter dem Thurme den Berg herauf, tritt zu mir heran und bietet mir einen guten Abend. Ich erwiedere den Gruss und zwischen uns beginnt ein Gespräch. Da tritt zulesst der Kleine mit einem seltsamen Antrage hervor, ich sollte mit ihm in eine Höhle schlüpfen, die kaum Oeffnung genug hatte, einen Dachs durchzulassen. Er bat so dringend und sagte mich zu überreden: „arbeitet eifth in die Höhle hinein und helft mir einen Stein losbrechen, der soll uns beide glücklich machen.“ — Ich bin aber zu solchen Quadeleien nimmer aufgelegt gewesen und schlage ihm sein Begehren rund ab. Nun wurde der Bursche grob und drohete, dass er mich zu seinem Willen noch zwingen würde. Ich weiss ihm aber darauf zu antworten, und wie er in seinem Aerger, roth wie ein Zinshähnchen, schimpfen will, hat er ehe er sich's versieht, einen tüchtigen Schlag hinter seine Ohren. Das hatte ich aber nicht gut gemacht. Denn alsbald fühlte ich mich gepackt, der vertracte Knirps hängt mir wie ein Bleiflumpen am Halse und wirft mich mit einer solchen Heftigkeit zur Erde, dass mir alle Rippen im Leibe krachten. Ich ermanne mich zwar wieder, drücke ihn fest zusammen und werfe ihn herum, er aber schlingt sich mit seinen beiden Armen wie eine Kneipzange um mich und zwickt mich so zusammen, dass ich laut aufschreien musste. Ein Ringen auf Leben und Tod beginnt. Der Aerger, mich von einem Zwerge so überwältigt zu sehen, gibt mir zwar immer neue Kräfte und bald lag dieser, bald ich unten, aber das half mir alles nichts, ich fühlte mich bald ermättet und es wäre um mich geschehen gewesen, wenn nicht zu rechter Zeit und zu meinem Glücke mein Knappe gekommen wäre und mit einem Reitelstocke tüchtig auf den Jungen losgeschlagen hätte, dass er mich im Augenblicke fahren lassen musste. Schnell wie ein Regenwurm entschlüpfte er in ein Loch, das kaum eine Spanne im Durchmesser hatte. Da war vergebens ihm nachzukommen. Was war nun zu thun? Ich richtete mich, so gut es gehen wollte, wieder ein und fuhr, nachdem wir geladen hatten, mit meinem Knappen voller Scham mit schmerzenden Gliedern und blauen Flecken nach Hause.“
Quellen:
- Dr. August Witzschel: Sagen aus Thüringen. Meersburg und Leipzig 1930