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Das Steinbild an der Kirche in Stadt Ilm

  Nach einem alten Manuscript

Als die Kirche zu Stadt Ilm erbaut wurde, suchten die Mönche nicht nur die Bürger sondern auch die Landleute zu reichlichen Beiträgen zu bereden. Sie stellten den Leuten das gute Werk so süss mit so vielen Verheissungen vor, dass fast Jedermann über sein Vermögen zu geben sich bestrebte. Damals lebte auch eine arme Witwe in der Stadt mit sechs Kindern, welche ein kleines Häuschen und ein einziges Goldstückchen in ihrem Vermögen hatte. Zu dieser kam wiederholt ein Mönch und redete ihr in aller Weise eindringlich zu, ihren güldenen Sparpfennig zum Kirchenbau beizusteuern; dabei versprach er der Witwe alles Glück und Wohlergehen für die Zukunft und versicherte hoch und theuer, dass ihre Gabe nur für die Kirche verwendet würde; wäre das nicht der Fall, so würde sie das Goldstück gewisslich bei ihren Kindern wieder finden. In guter Einfalt und in der Hoffnung reichen Segens gibt die Frau dem sammelnden Mönche ihr Goldstück. Dieser brachte es aber nicht der Kirchbaukasse, sondern einer Weibsperson, mit welcher er geheimen Umgang pflog. Als nun derselbe Mönch am nächsten Sonntage Messe liest und dabei der eingegangenen Beiträge für den Bau der Kirche rühmlich gedenkt, auch über die frommen Geber den Segen spricht, aber den Beitrag der armen Wittwe weder erwähnt, noch ihr den Segen ertheilt, wird er plötzlich von einer unsichtbaren Macht über die Mauer der Kirche, soweit solche damals erhöhet war, in die Luft geführt, zum Schrecken und Erstaunen aller anwesenden Leute. Zum Andenken an diese Begebenheit setzte man an der südlichen Aussenseite der Kirche an eben der Stelle, wo der Mönch über die Mauer hinweggeführt worden war, ein hervorragendes Steinbild ein, welches einen Mönch vorstellt, den ein böser Geist entführt, und noch heute zu sehen ist.

Als nun nach einigen Jahren die Kirche eingeweiht werden soll und von allen Orten viel Volk dazu herbeikommt, so wird angeordnet, dass alle die, welche etwas zum Baue beigetragen, vorzüglich und zuerst in die Kirche gelassen und vor den Altar gestellt werden, die andern Kirchgänger nachher erst Eintritt erhalten und den noch übrigen Raum einnehmen sollen. Bei dieser Gelegenheit drängt sich auch jene Witwe mit ihren Kindern hervor, will Einlass haben und des Segens theilhaftig werden; weil man aber ihren Namen nicht unter den milden Gebern findet, wird sie zurückgewiesen. Da betheuert sie unter vielen Thränen, dass sie ihr einziges Goldstück beigetragen und jenem Mönche gegeben habe, welcher von einem bösen Geiste entführt worden sei, wie das Steinbild an der Kirche besage; erzählt auch, dass derselbe Mönch ihr versichert, dass, wenn das Goldstück nicht zum Bau der Kirche verwendet würde, es bei ihren Kindern sich wieder finden werde. Da man sie aber dennoch hinausweisen will, fängt plötzlich der in Stein gehauene Mönch an zu reden und versichert, dass die Wittwe die Wahrheit gesagt habe, er aber zur Strafe seines Betrugs damals vom Teufel geholt worden sei.

Darauf wird die Wittwe in der Kirche gleich neben den Altar oben an gestellt. Während nun der Priester den Segen über die Gemeinde spricht, greift der jüngste Knabe der Witwe zufällig in seine Tasche und findet das bekannte Goldstück seiner Mutter darin. Da erkennt das Volk den Finger Gottes und die Witwe wird einstimmig zur Verwalterin des Gottesfastens erwählt und zugleich bestimmt, dass dieses Amt für alle Zeit bei ihrer Familie verbleiben soll. Diese soll jedoch vor nicht langer Zeit davon abgekommen sein.

Quellen: