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St. Bruno's stehender Esel
Spangenberg Quernfurtische Chronik S. 127 ff.
Als nun der heilige Bruno zur Abreise fertig war, und mit seinen Brüdern noch fröhliche Ostern gehalten hatte, nahm er am Donnerstage, der Osterwoche von ihnen Abschied und ritt nach gesprochenem Seegen auf einem Maulthiere mit wenig Dienern von Quernfurt nach Merseburg zu, um gen Preussen zu ziehen.
Nun begab sich's, dass ihm auf dem grünen Anger hart hinter Quernfurt sein Esel stätig wird und weder vorwärts noch rückwärts will. Darin sah sein Bruder Herr Gebhart und Andere, die ihm das Geleit gaben, ein Anzeichen und Offenbarung, dass es nicht Gottes Wille sei, dass er wiederum nach Preussen ziehen sollte, und sie überredeten ihn, dass er mit ihnen wiederum aufs Schloss zurückkehrte. In der Nacht überlegte Herr Bruno die Sache mit grosser Traurigkeit hin und wieder und erkannte darin zulegt eine Versuchung des Satans, der ihn an seinem Beruf und christlichen Vorhaben hindern wollte. Mit solchen Gedanken trug er sich etliche Tage, konnte sich aber nicht eher darüber zufrieden geben, bis er sich ernstlich vornahm, seine Reise zu vollziehen, was ihm auch begegnen möchte.
So machte er sich nach einigen Tagen wieder auf und zog seiner Bestimmung entgegen nach Preussen, wo er das Evangelium lehrte und predigte, die Heiden taufte und zum christlichen Glauben bekehrte, zuletzt aber wurde er mit achtzehn Gefährten von den Heiden gefangen genommen , grausam gemartert, gepeinigt und getödtet. Dieses geschah im Jahre 1008 oder 1009 in Lithauen nahe an der Gränze von Russland. Auf der Wiese aber, darauf der Esel des heil. Bruno stätig ward, die noch heute die Eselswiese heisst, hat man eine Kapelle erbaut, zur Eselstatt genannt, wo an jedem Donnerstage in der Osterwoche sonderlicher Ablass ertheilt wurde, weshalb bald eine grosse Wallfahrt dahin entstand und viel Zuströmen des Volks von allen Orten und Enden. Aus diesem Ablass ist später ein Jahrmarkt geworden, der in der ersten Zeit nicht länger als einen Tag vom Morgen bis zu Abend währte; jetzt wird er bis auf den Sonnabend zur Vesperzeit gehalten. So hat St. Bruno's stehender Esel das ganze Landvolk herum gehend und laufend gemacht.
Quellen:
- Dr. August Witzschel: Sagen aus Thüringen. Meersburg und Leipzig 1930