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Der schwäbische Riese Einheer
Zu Zeiten Karls des Großen lebte ein gewaltiger Riese, so unter dem Kaiser zu Pferd diente und Einheer (oder Einotheer) hieß, welcher Name einen bezeichnet, der allein so viel ist wie ein ganzes Heer. Sonst war dieser Riese aus dem Thurgau am Bodensee, einem Landstrich, der ehedem zu Schwaben gehörte. Durch Flüsse, über die keine Brücken geschlagen waren, watete er zu Fuß, zog sein Pferd hinter sich her, und wenn es ihm nicht nach wollte, sagte er wohl im Scherz: »So wahr mir Gott helfe! Gesell, du musst mir folgen auch wider deinen Willen.«
In den Kriegen Karls des Großen wider die Wenden und Hunnen mähte er mit seinem Degen die Leute wie Gras nieder, hing sie an seinen Spieß und trug sie wie kleine Vögel auf seiner Schulter. Und wenn ihn dann, als er heimgekehrt war, die Leute nach ihrer Gewohnheit fragten, was doch die Feinde für Leute seien und was man im Krieg wider sie ausgerichtet hatte, so sagte er voll Unwillen: »Was soll ich von den Fröschlein sagen? Ich habe oft ihrer sieben, bisweilen auch mehrere an meinen Spieß als an einen Bratspieß gesteckt und auf der Schulter getragen, dass sie quakten, weiß nicht wie. Es war nicht der Mühe wert, dass unser Kaiser mit so großen Unkosten wider solche Würmlein einen Feldzug unternommen hat. Man hätte das viel leichter und billiger ausmachen können.«
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852