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Der steinerne Brotlaib
Zu einem Fräulein von Lichtenstein, auf Neckarhausen bei Glatt, kam zur Zeit einer Hungersnot einst ein Bettler und bat um ein Stückchen Brot. Das Fräulein wies den Mann fort, indem sie sagte, dass sie selbst nur noch einen einzigen Laib Brot vorrätig habe. Als sie danach dieses Brot anschneiden wollte, war es in Stein verwandelt. Da empfand das Fräulein Reue über ihre Härte gegen den unbekannten Bettler und machte eine Stiftung, wonach jährlich am St. Ulrichstag nach beendetem Gottesdienst an die Armen zu Petra und Neckarhausen Brot und eine bestimmte Summe Geld ausgeteilt werden sollte. Der versteinerte Brotlaib aber wurde in die Rückwand der Kapelle des heiligen Ulrich, links auf der Vorbühne, zur Hälfte hervorstehend eingemauert und ist hier bis auf den heutigen Tag noch zu sehen.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852