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Der Reiter vor Rotenburg

  Eine mündliche Überlieferung aus Horb

Zwei Frauen fuhren in der Nacht von Riedlingen nach Roten­burg durch den Rammertwald und bemerkten unterwegs, dass ein Mann zu Pferde ihren Wagen beständig begleite. Da sagte die eine Frau zu ihm: »Es ist ja schön, dass wir hier im Wald einen so treuen Begleiter haben.«

Er aber sagte nichts darauf. Sie fragte ihn dann noch einige Male, bekam aber keine Antwort.

Da stieß die andere Frau ihre Gefährtin an und flüsterte ihr zu: »Ach Gott, sei doch still! Siehst du denn nicht, dass der Mann keinen Kopf hat?«

So kamen sie schweigend bis an das Tor vor Roten­burg, wo es jetzt nach Niedernau hinausgeht. Als der Torwart es geöffnet hatte und nach ihrer Einfahrt wieder schließen wollte, sagte die eine Frau: »Es wird gleich noch ein Reiter kommen, Ihr könnt das Tor nur offenlassen.«

»O, der ist schon oft da gewesen und geht niemals in die Stadt!«, sprach der Torwart und riegelte wieder zu.

Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852