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Die heilige Notburga 1.Sage
Oberhalb des sehr alten Dorfes Hochhausen (vom Volk »Wochhausen« ausgesprochen) befindet sich an dem steilen Neckarufer die Notburgahöhle, die das Volk aber bloß die »Jungfernhöhle« nennt. Sie ist klein, kaum für einen Menschen groß genug und nur vom Neckar aus sichtbar. Der Neckar, der gerade hier eine starke Krümmung macht, spült die Höhle immer mehr weg; denn früher soll sie weit größer gewesen sein.
Ruft man vom Ufer den Namen Notburga gegen die Höhle hin, so wiederholt das Echo sehr täuschend, aber leise und wehmütig den Namen.
Das Volk erzählt die Geschichte dieser Jungfrau so: Sie war eine Königstochter, wurde von einer bösen Stiefmutter gequält und verfolgt, und flüchtete sich in diese Höhle, in der sie sich versteckt hielt, bis ihr Vater sie eines Tages fand. Als sie nicht gutwillig ihm folgen wollte, versuchte er, sie mit Gewalt fortzuziehen. Allein da blieb ihm der abgelöste Arm seiner Tochter in der Hand. Indes brachte eine Schlange ein Kraut, durch welches der Arm wieder anheilte. Nach ihrem Tod wurde sie in der Kirche zu Hochhausen begraben.
Beim Eintritt in die Kirche sieht man links ihr Grabmal. Sie liegt auf einem erhöhten Stein, innerhalb eines Drahtgitters, mit einer Krone geschmückt. Es fehlt ihr der linke Arm; in der Rechten aber hält sie eine Schlange, die das heilende Kraut im Mund trägt. Das Steinbild scheint sehr alt zu sein.
Den Hochaltar schmückten früher alte Ölbilder mit Szenen aus dem Leben der heiligen Notburga. Sie erscheint hier stets in einem roten Gewand. Durch ungeschickte Restauration ist leider das Meiste und Beste dieser Bilder zerstört worden.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852