<<< vorherige Sage | Kapitel 12 | nächste Sage >>>
Der Name der roten Murg - 2. Das Gundesvolk
Eine mündliche Überlieferung aus Baiersbronn und dem roten Murgtal
Eines Sonntags kamen einmal von der Höhe herab in das rote Murgtal wilde Räuber, die man das Gundesvolk nannte, unter ihrem Anführer Schlotki. Da machte man Lärm im Tal und zog dem Feinde getrost entgegen, denn die meisten Talbewohner waren damals selbst noch Räuber, »konnten mehr als Brot essen« und fürchteten deshalb keine Kugel. Auf einer Anhöhe trafen sie den Feind und es kam zum Schießen. Aber keiner wollte fallen, denn auch das Gundesvolk hatte sich gegen Kugeln wohl verwahrt. Endlich trat ein Bürger vor, der eine ganz besondere Kugel hatte, und sagte, man solle ihn zuerst allein schießen lassen und dann möchten die Übrigen nachschießen. Das geschah. Die Kugel traf einen und dann waren auch die Schüsse der anderen wirksam, sodass man das ganze Räubervolk bis auf ihren Anführer Schlotki zusammenschoss, dem man nichts anhaben konnte und ihn deshalb, mit Holz und Steinen beschwert, in das Bett der Murg versenkte.
Andere sagen so: Ein Mann aus dem Murgtal sei mit einer silbernen Kugel in die Brust getroffen worden. Derselbe habe aber diese Kugel sogleich wieder herausgebracht, in sein Gewehr geladen und rückwärts auf das Gundesvolk zurückgeschossen, worauf einer davon gefallen sei. Dann habe er seine Gefährten zum Schießen ermuntert, und da habe auch jede Kugel ihren Mann getroffen. Nur dem Anführer Schlotki habe man keine Kugel beibringen können, weshalb man ihn mit vielen Steinen lebendig in die Murg »beschwert« habe. Aber auch so sei er nicht gestorben, bis er selbst endlich ein Mittel angegeben hatte, wie sie seinem elenden Leben ein Ende machen könnten. Darauf sei die Murg mehrere Tage lang ganz rot geflossen und immer etwas rötlich geblieben. Daher auch der Name rote Murg.
Noch andere behaupten: Diese Räuber seien Franzosen gewesen und hätten unter ihrem Führer Schlotki eines Sonntags, da alles in der Kirche gewesen war, einen Überfall gemacht, seien aber sämtlich niedergemetzelt worden, davon die Murg sich rot gefärbt habe. Auch an kaiserliche (österreichische) Soldaten denkt man, die einst in das Tal eingebrochen und darin verbluten mussten.
Indes gibt es auch Leute, welche meinen, die rote Farbe der Murg rühre von dem Boden des Gebirges her.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852