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Blindschleiche

  Eine mündliche Überlieferung aus Pfullingen, Bühl und sonst.

Als Gott nach der Schöpfung alle Tiere fragte, was sie tun wollten, so sagte die Blindschleiche, sie wolle das Kind im Mutterleibe nicht verschonen.

Da sprach Gott: »So sei blind, auf dass du keinen Menschen siehst!« Seitdem können die Blindschleichen nicht sehen. Aber ihre Natur ist noch immer sehr böse. Wenn sie auf einen Menschen zufahren und ihn treffen würden, so würden sie ihn durchbohren. Deshalb fürchtet und meidet man sie auch.

Andere sagen, Gott habe mit Binsen den Blindschleichen die Augen ausgestochen, weil sie unter allen Tieren am grausamsten gewesen seien, und davon seien die Binsen oben so dünn.

In Bühl sagt man, die Muttergottes habe es getan und zwar auch mit Binsen, weil sie gewusst hatte, dass die »Blindschleicher« sonst das Kind im Mutterleib nicht verschont haben würden.

Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852