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Der Schlangenbeschwörer

  Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

In der Rohrhalde bei Kiebingen befand sich früher eine Meierei, in der es außerordentlich viele Schlangen gab. Es waren Ottern, vier Schuh lang und armdick, aber nicht giftig. Sie lagen sowohl im Hof als auch im Haus überall umher und sogen oftmals den Kühen die Milch aus. Deshalb ließ man endlich einen Schlangenbeschwörer kommen, dass er sie fortschaffen sollte. Da ließ der Mann das »Scheuerloch« (die Bodenluke) mit Brettern zumachen, ließ dann grad unter diesem Loch ein Feuer anzünden, ging selbst auf den Boden. Nachdem er sich in einen Kasten hatte einschließen lassen, machte er auf einer Pfeife den Ton des Schlangenkönigs nach, worauf alsbald alle Schlangen aus der Umgegend herbeigeschossen kamen, in die Scheuer liefen und durch das Scheuerloch auf den Boden springen wollten, von woher der Pfiff kam. Weil die Öffnung aber verdeckt war, so fielen sie alle zurück in das Feuer und kamen darin um. Seitdem sind alle Schlangen dort verschwunden. Hätten die Schlangen aber den Mann bekommen, so würden sie ihn umgebracht haben. Deshalb hatte er sich einschließen lassen.

Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Dr. Ernst Meier, Stuttgart, Verlag der J. B. Metzler'schen Buchhandlung, 1852